Zentralrat der Juden:Jetzt redet Knobloch: "Wofür ich stehe"

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Wirbel um die Präsidentin des Zentralrats der Juden: In der Süddeutschen Zeitung erklärt sie, warum sie nicht bald zurücktreten will.

Charlotte Knobloch

Ruhestand war für Charlotte Knobloch auch mit 77 Jahren bislang kein Thema. Stets beteuerte die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, wie sehr ihr ihre Arbeit Spaß mache: Solange sie gewählt werde, stehe sie zur Verfügung. So nähren die Berichte über Knoblochs angebliche Absicht, im Herbst nicht mehr für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, Spekulationen über Intrigen innerhalb der Spitze des Zentralrats. Sie will nicht für eine zweite Amtszeit antreten, gar bald zurücktreten, heißt es. In einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung erklärt sie, warum sie nicht einfach abtreten will.

Charlotte Knobloch: "Gerade als Zeugin der Gräuel der Naziherrschaft mache micht meine Aufgabe als Präsidentin des Zentralrats glücklich." (Foto: Foto: ddp)

"Wo immer ich in den vergangenen Jahren die jüdische Gemeinschaft vertreten habe, waren positive Zeichen sichtbar. Das deutsche Judentum ist wieder auferstanden. Die jüdischen Gemeinden reifen zu Stützpfeilern der Zivilgesellschaft heran, auch mit Hilfe von Bund, Ländern und Gemeinden. Und dennoch müssen wir uns fragen: Wird es gelingen, über die enorme Integrationsleistung hinaus eine Gemeinschaft zu bilden, deren jüdische Identität vielgestaltig, engagiert und nachhaltig sein wird?

Gerade als Zeugin der Gräuel der Naziherrschaft macht mich meine Aufgabe als Präsidentin des Zentralrats glücklich. Ich sehe in den Herausforderungen große Chancen. Sie geben mir die Kraft, dafür zu arbeiten, dass jüdisches Leben in unserem gebrochenen Land wieder gelingen kann. Es wächst eine junge Generation heran, die Lust und Freude hat, jüdisch zu sein. Die Zuwanderung so vieler jüdischer Menschen nach Deutschland war ein Geschenk und eine Freude. Um ihre Verwurzelung im jüdischen Erbe und um die kommenden Generationen müssen wir uns nun besonders kümmern. Es gibt Indizien, dass die Zahl der Juden in Deutschland wieder abnehmen könnte - weil die alte Generation von uns geht, aber auch durch Gemeindeaustritte. Hier müssen wir deutlich machen, dass es sinnvoll ist, eine jüdische Identität zu entwickeln.

Nach außen hin muss die jüdische Gemeinschaft in Deutschland das gesellschaftliche Leben, die politische Kultur mitgestalten - weil jede Religionsgemeinschaft nicht nur für sich selber da ist, sondern das Leben und das Wohl aller Menschen im Blick hat.

Ein Kernelement des Judentums weiterentwickeln: die Bildung

Wir müssen zeigen, dass Antisemitismus oder Rassismus kein jüdisches Problem ist, sondern die Menschlichkeit einer ganzen Gesellschaft in Frage stellt; wir können aber auch zu anderen Fragen eine Haltung finden, ob in der Bio- oder der Wirtschaftsethik. Nach innen müssen wir zu einer Gemeinschaft werden, die auch dann lebt, wenn die Generation der Holocaust-Überlebenden nicht mehr da ist.

Dazu müssen wir ein Kernelement des Judentums weiterentwickeln: die Bildung. Wenn die kommende Generation lernt, über die eigenen Existenz im Umfeld der jüdischen Tradition nachzudenken, haben wir gewonnen.

Worauf ich besonders stolz bin: Uns ist es gelungen, die Gräben zuzuschütten zwischen den verschiedenen Strömungen des Judentums in Deutschland. Die Herausforderungen der kommenden Jahre werden uns viel abverlangen.

Alle, die Verantwortung für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland tragen, müssen füreinander einstehen. Respekt und Anerkennung für die Leistungen eines jeden von uns ist die notwendige Basis, damit uns gelingt, was wir uns vorgenommen haben.

Noch nie war eine jüdische Vertretung auf Bundesebene so wichtig, damit unsere Anliegen und Aufgaben nicht vergessen werden vor dem Hintergrund der immensen Leistungen, die der Staat zu bewältigen hat.

Für diese Ziele stehe ich, dafür möchte ich meine Energie in den nächsten Jahren verwenden. Auch während meiner Amtszeit an der Spitze des Zentralrats."

© SZ vom 06.02.2010/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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