Zentralafrikanische Republik:Wählen im Krieg

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Die Bürger der zentralafrikanischen Republik stimmen über die Nationalversammlung und den Präsidenten ab - trotz Furcht vor Gewaltausbrüchen.

Von Tobias Zick, Kapstadt

Seit fast drei Jahren schwelt in der Zentralafrikanischen Republik ein Bürgerkrieg. Schon davor war das Land, das zu den ärmsten der Welt gehört, weit davon entfernt, ein funktionierender Staat zu sein. Nun soll es im neuen Jahr zumindest wieder eine einigermaßen demokratisch legitimierte Regierung bekommen. Deshalb hat an diesem Mittwoch nach mehrmaliger Verschiebung die Präsidentschafts- und Parlamentswahl begonnen.

Die langen Schlangen vor den Wahllokalen am Mittwochmorgen zeigten, dass viele Bürger ihre Hoffnung in die Demokratie trotz allem nicht verloren haben. Um Gewaltausbrüche zu verhindern, waren zahlreiche Soldaten der rund 11 000 Mann starken UN-Friedenstruppe Minusca im Einsatz. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte in einer im Radio übertragenen Ansprache, die Wahlen seien ein "historischer Moment" für das Land. "Die Vereinten Nationen werden Ihnen in dieser kritischen Zeit beistehen."

Vier mal war seit Februar der Wahltermin verschoben worden, wegen Sicherheitsbedenken und logistischer Probleme. Auch jetzt ist von vornherein klar, dass das Ergebnis mit Mängeln behaftet sein wird: Im Laufe der Kämpfe, die mit einem Putsch im März 2013 ausgebrochen waren, sind Hunderttausende Menschen aus ihrer Heimat geflohen. Viele von ihnen konnten nicht für die Wahl registriert werden - allein aufgrund dieses Missverhältnisses könnten Gegner des Wahlsiegers das Ergebnis anzweifeln. Dennoch hatten sowohl die jetzige Übergangsregierung als auch Geberländer wie Frankreich darauf gedrungen, die Wahlen nicht erneut zu verschieben: Ein weiteres Hinauszögern, so die Befürchtung, hätte alle Bemühungen um Stabilisierung zusätzlich gefährden können.

Für das Amt des Präsidenten stehen 30 Kandidaten zur Wahl; die größten Chancen haben nach Einschätzung von Beobachtern zwei ehemalige Ministerpräsidenten, Anicet-Georges Dologuélé und Martin Ziguélé. Ein zweiter Wahlgang Ende Januar gilt als wahrscheinlich. Unabhängig vom Ergebnis ist ein rascher Durchbruch bei den Friedensbemühungen kaum zu erwarten: Außerhalb der Hauptstadt ist der Einfluss der Regierung gering. Weite Teile des Landes stehen unter der Kontrolle von Milizen, die schon von der bisherigen Übergangsregierung hätten entwaffnet werden sollen - eine Forderung der Vereinten Nationen, die in den meisten Fällen unerfüllt geblieben ist. Bei den bewaffneten Konflikten geht es vor allem um die Kontrolle über die reichen Gold- und Diamantenreserven des Landes, von denen die Zivilbevölkerung kaum profitiert. Die Rohstoffe werden meist illegal in die Nachbarländer Kamerun, Tschad und Sudan ausgeführt - und auch die neu gewählte Regierung wird den lukrativen Schmuggel kaum eindämmen können.

Der Konflikt hat zudem eine immer stärker religiöse Färbung angenommen: Nach dem Putsch im März 2013 durch muslimische "Séléka"-Rebellen hatten sich als Gegenbewegung sogenannte "Anti-Balaka"-Milizen unter christlichem Vorzeichen formiert. Beide Seiten haben durch ihre Gewalt gegen Zivilisten tiefes Misstrauen zwischen den Christen und Muslimen des Landes geschürt. Seit September war es auch in der Hauptstadt Bangui wieder verstärkt zu blutigen Ausschreitungen bekommen, etwa bei der Volksabstimmung über eine neue Verfassung Mitte Dezember.

Die Auszählung der Stimmen dürfte bis zu zwei Wochen dauern, und Beobachter befürchten in deren Verlauf neue Ausschreitungen. Lewis Mudge von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sieht die UN-Truppen in der Verantwortung: Diese müssten "dafür sorgen, dass die Lage nicht außer Kontrolle gerät", zumal die staatlichen Sicherheitskräfte schlicht "nicht funktionieren". Die Probleme des Landes seien durch "Korruption und schlechte Regierungsführung" verursacht worden, so Mudge, eine Wahl werde diese Probleme nicht über Nacht ausräumen können. Dennoch sei der Urnengang "ein Schritt in die richtige Richtung - vorausgesetzt, die neue Regierung tritt der Haupttriebkraft hinter der Gewalt in dem Land entgegen: der Straflosigkeit." Bislang, so Mudge, hätten "Kriegstreiber und Putschisten", die auf dem Rücken der Zivilbevölkerung um die Rohstoffe des Landes kämpften, schlicht keinerlei Strafverfolgung zu befürchten.

© SZ vom 31.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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