Saudi-Arabien:Der Name in der Zeitung

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In der arabischen Öffentlichkeit gibt es inzwischen eine höhere Sensibilität für das Thema sexuelle Belästigung. Zwei Frauen in der saudi-arabischen Stadt Riad. (Foto: Ahmed Yosri/Reuters)

Zum ersten Mal macht die saudische Justiz wegen sexueller Belästigung die Identität eines Täters öffentlich.

Von Dunja Ramadan, München

Yasser Muslim Mohammed al-Arawi. Sein Name wird in die Geschichte Saudi-Arabiens eingehen, allerdings nicht auf die glorreiche Art und Weise. Denn al-Arawi ist der erste Mann, der für die Belästigung einer Frau in Medina öffentlich angeprangert wird. Die saudische Justiz hat in seinem Fall die "Taschhir"-Praxis (zu Deutsch: öffentliche Anprangerung) angewendet, was so viel bedeutet wie: Dein Ruf ist dahin. Al-Arawis kompletter Name (der Stammbaum lässt sich anhand des Namens ablesen) landete in der lokalen Presse. In einem Land wie Saudi-Arabien, das sich gesellschaftlich immer noch sehr stark an Stämmen und Abstammungslinien orientiert, ist das eine große Schande - und hat dementsprechend, so hoffen wohl die Behörden, auch ein großes Abschreckungspotenzial.

Der Mann, so die Anklage, habe sich der Frau von hinten genähert, sie begrapscht und mit obszönen Worten verfolgt. Ihm drohen nun eine Geldstrafe von rund 1200 Euro sowie acht Monate Haft. Seit 2018 wird sexuelle Belästigung in dem konservativen Golfkönigreich mit bis zu zwei Jahren Gefängnis und Geldstrafen von bis zu 24 000 Euro geahndet. Bei Wiederholungstätern sieht das saudische Strafgesetz sogar eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren vor. Auch einige arabische Länder, darunter Ägypten und Libanon, verschärften kürzlich ihre Gesetze gegen sexuelle Belästigung. Aktivisten beklagen häufig, dass die Gesetze an der laschen Polizeiarbeit scheiterten.

In der arabischen Öffentlichkeit wächst die Sensibilität. Die Mehrheit nähert sich einer Nulltoleranz-Haltung

Umso erfreuter reagieren viele nun auf die nun erstmals zur Anwendung gekommene Taschhir-Praxis, die Saudi-Arabien vor einem Jahr gesetzlich verankerte. Die Richter des Strafgerichts in Medina, immerhin der zweitwichtigsten heiligen Stadt des Islam, griffen anlässlich der "Schwere des Verbrechens und seiner Auswirkungen auf die Gesellschaft", wie es im Gesetzestext steht, darauf zurück. Besonders erniedrigend dabei: Der Täter muss die Zeitungen auch noch dafür bezahlen, seinen Namen abzudrucken.

In der arabischen Öffentlichkeit ist in den vergangenen Jahren eine höhere Sensibilität mit dem Thema sexuelle Belästigung zu beobachten. Während einige zwar immer noch über die Kleidung der Frau diskutieren wollen, anstatt die Schuld alleine bei dem Täter zu suchen, scheint sich die Mehrheit doch einer Nulltoleranz-Haltung anzunähern. Erst Anfang der Woche bezeichnete der saudische Anwalt Khalid Abu Rashid im Live-Fernsehen des Senders Rotana al-Khalijia auch schon die Frage nach der Handynummer oder dem Snapchat-Namen als Beginn einer möglichen Belästigung. "Es beginnt mit einem Wort", so Abu Rashid. Frauen - oder auch Männer - sollten in diesem Fall Zeugen auf die Situation aufmerksam machen oder sich nach Überwachungskameras umsehen.

In den sozialen Netzwerken wurde das Urteil größtenteils positiv aufgenommen. Allerdings gab es auch kritische Stimmen, vor allem von männlichen Usern. Nun sei der Name einer ganzen Großfamilie in den Schmutz gezogen, dabei träfe sie doch keine Schuld, schreibt er. Die Antwort von weiblicher Seite folgt sogleich: Sie sei schuld, weil sie den Abkömmling offensichtlich nicht richtig erzogen habe. Außerdem fordern viele Frauen neben der Veröffentlichung des Namens auch ein Foto des Täters, es könne ja sonst zu Verwechslungen kommen. Einige forderten sogar den Wohnort des Täters, sie würden ihm gerne einen Besuch abstatten.

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