Wolfsburg:Wenn ein Hilferuf nicht reicht

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Das LKA in Hannover weist Vorwürfe, es habe Wolfsburger Islamisten ausreisen lassen, zurück.

Von Hans Leyendecker, München

Die Berichte von SZ, NDR und WDR über Versäumnisse der niedersächsischen Polizei, Islamisten an der Ausreise in den Dschihad zu hindern, haben in Hannover zu lebhaften Reaktionen geführt. Die innenpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Angelika Jahns, sagte, das Vorgehen der Sicherheitsbehörden sei "schlichtweg inakzeptabel". Während auf Bundesebene über eine gesetzliche Regelung zur Ausweitung des Passentzuges beraten werde, seien in Niedersachsen "offensichtlich noch nicht einmal die bestehenden Regelungen umgesetzt" worden: "Warum hat man nicht eingegriffen? Warum hat man auch auf eindringliche Warnungen von Angehörigen nicht entsprechend reagiert?" fragte Jahns.

Alleine aus Wolfsburg sind 15 Islamisten in die Kampfzone gereist. Vier von ihnen sind inzwischen tot, unter ihnen mindestens ein Selbstmordattentäter. In den Jahren 2013 und 2014 gab es in Wolfsburg nicht einen einzigen Antrag auf Passentzug. Das niedersächsische Landeskriminalamt (LKA) schritt nicht einmal ein, als der Bruder eines Reisewilligen bat, diesem den Pass zu entziehen.

Der Vizechef des niedersächsischen LKA, Thomas Ring, wies am Mittwoch den Vorwurf, es habe gravierende Versäumnisse gegeben, "vehement zurück". Die Behörden seien beim Passentzug auf "gerichtsverwertbare Hinweise angewiesen". So seien die Tipps des Bruders nicht gerichtsverwertbar gewesen, da dieser nicht als Zeuge habe aussagen wollen.

Das LKA hatte Anfang der Woche auf eine dreiseitige Anfrage des Medienverbundes zum ausgebliebenen Passentzug vergleichsweise sehr knapp und eher allgemein geantwortet: Man wolle sich nicht dazu äußern, warum in Wolfsburg keine Pässe entzogen wurden. Wegen einer "Vielzahl von Ermittlungen in dieser Region" sei "Zurückhaltung geboten". Man prüfe "regelmäßig" den Entzug von Pässen.

Der Münsteraner Professor Dieter Kugelmann, Spezialist für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Polizeirecht, nahm auf Anfrage zu der rechtlichen Grundlage bei der Verhinderung von Ausreisen Stellung: Es sei bei einem solchen Passentzug "nicht erforderlich", dass gerichtsverwertbare Tatsachen vorliegen würden. Auch bedürfe es "keiner förmlichen Zeugenvernehmung". Es gebe "zwar in der Literatur auch andere Auffassungen, aber die seien nicht überzeugend".

© SZ vom 02.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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