Westjordanland:Ein besserer Deal ist möglich

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Die Annexion steht nun im irsarelischen Koalitionsvertrag. Wenn es EU und arabische Staaten ernst meinen mit einem palästinensischen Staat, müssen sie jetzt kooperieren.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Die internationale Staatengemeinschaft kann sich schon darauf einstellen: Wenn die israelische Regierung tatsächlich vereidigt ist, dann wird sie sich daran machen, Teile des seit 1967 besetzten Westjordanlandes zu annektieren. Zum ersten Mal steht dieses Vorhaben in einem Koalitionsvertrag. Von Juli an kann Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Schritte einleiten, sein früherer Rivale und aktuelle Partner Benny Gantz hat auf ein Vetorecht verzichtet.

Netanjahu wird aus eigenem Interesse das Vorhaben vorantreiben, um Wahlversprechen zu erfüllen und von seinem Korruptionsprozess abzulenken. Außerdem wird die Annexion von mehr als der Hälfte der Israelis begrüßt. Netanjahu agiert aber auch im Auftrag Washingtons. US-Außenminister Mike Pompeo hat bei seinem Kurzbesuch in Israel "Fortschritte" angemahnt. Denn US-Präsident Donald Trump erhofft sich von der Umsetzung seines Nahostplans einen Popularitätsschub bei den jüdischen und evangelikalen Amerikanern vor der Präsidentschaftswahl im November. Netanjahu wird deshalb im Sommer seinen Beitrag zur Wiederwahl Trumps leisten.

Der von Trump vorgeschlagene "Deal" sieht vor, dass Israel die in rund 200 Siedlungen im Westjordanland und das Jordantal dem eigenen Staatsgebiet einverleiben kann - das sind rund 30 Prozent der Fläche des Westjordanlandes. Damit würde ein Bruch des Völkerrechts legalisiert werden. Die Palästinenser sollen als Kompensation Landstriche im Süden Israels entlang der Grenze zu Ägypten erhalten, sodass der künftige Staat Palästina aus zerstückelten Flächen bestehen würde. Auch arabisch dominierte Orte in Israel sollen dem neuen Staat angegliedert werden. Wie absurd dieser Plan ist, zeigt ein Blick auf die Landkarte. Aus einer verstreuten Ansammlung von Gebieten kann kein einheitlicher Staat entstehen.

Die Bekenntnisse der Europäer zu einer Zweistaatenlösung haben bisher keinen Beitrag zur Schaffung eines Staates für die Palästinenser geleistet. Netanjahu hat sich von entsprechenden Appellen nicht beeindrucken lassen. Die Proteste von europäischen und arabischen Staaten und deren Hinweise auf den Bruch des Völkerrechts hielten Trump im Vorjahr auch nicht davon ab, die Annexion der Golanhöhen, die Israel 1967 von Syrien erobert hatte, anzuerkennen. Die EU-Staaten - und damit auch Deutschland - werden sich nicht mehr vor der Frage drücken können, ob sie zu Sanktionen bereit sind, sollte Netanjahu seinen Ankündigungen Taten folgen lassen.

Staaten, die der Arabischen Liga angehören, werden in diesem Fall darauf dringen, dass es mit der ansonsten üblichen Verurteilung Israels nicht getan ist. Die arabischen Staaten werden sich entscheiden müssen, ob sie es ernst meinen mit ihrer Unterstützung für einen palästinensischen Staat und welchen Beitrag sie dafür zu leisten bereit sind. Sie sollten ihre Friedensinitiative aus dem Jahr 2002 aus der Schublade holen und Netanjahu einen "Deal" anbieten: für den Rückzug aus dem besetzten Westjordanland und der Schaffung eines palästinensischen Staates die Normalisierung der Beziehungen und die Anerkennung des Staates Israel.

Das würde Sicherheit in der Region schaffen. Die Europäer könnten sich als Vermittler profilieren. Die internationale Staatengemeinschaft ist jetzt zur Kooperation gefordert und zum Handeln gezwungen.

© SZ vom 15.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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