Werft:Stadt der Zukunftsangst

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Auf der Peene-Werft in Wolgast sollen Patrouillenboote für Saudi-Arabien gebaut werden. Der Auftrag wurde durch das Export-Moratorium erst einmal gestoppt. Im Bild die Korvette "Oldenburg" der Deutschen Marine, die ebenfalls in Wolgast auf Kiel gelegt wurde. (Foto: Stefan Sauer/picture alliance)

In Wolgast in Mecklenburg-Vorpommern hängen Hunderte Arbeitsplätze an der Ausfuhr von Patrouillenschiffen nach Saudi-Arabien, die im Herbst erst einmal gestoppt wurde.

Von Thomas Hahn

Der 9. März steht jetzt im Kalender der Stadt Wolgast wie ein leeres Versprechen. Das Verbot von Rüstungsexporten an Saudi-Arabien sollte eigentlich an diesem Freitag enden und damit die Tristesse an der örtlichen Peene-Werft. Seit die Bundesregierung den Ausfuhrstopp im November verhängt hat, liegt dort die Serienproduktion von Booten für die saudi-arabische Küstenwache darnieder. Kurzarbeit. Einbußen. Zukunftsangst. Der 9. März war der Sehnsuchtstag. Dass das Außenministerium den Ausfuhrstopp um weitere drei Wochen verlängert hat, ist der nächste Schlag für die Arbeiter. Die Stimmung ist schlecht. "Es gab Zeichen der Politik, dass sehr schnell entschieden wird", hat Harald Jaekel, der Technische Geschäftsführer der Werft, diese Woche der ARD gesagt. Aber es geht nicht schnell.

Saudi-Arabien ist weit weg, doch die Sanktionen gegen das Regime treffen auch den strukturschwachen deutschen Nordosten. Wolgast an der Peene in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Durchfahrtsort für Usedom-Touristen. Ein Standort, der seit der Wende viele Verlusterfahrungen ertragen musste. Man muss aufpassen, die 13 000-Einwohner-Stadt nicht auf das Klischee vom abgehängten Osten zu reduzieren. Aber manche Einheimische haben hier über die Jahre tatsächlich den Eindruck bekommen, als lebten sie in einem vergessenen Winkel Deutschlands. Die lokale Jugend ringt um Perspektiven. Und jetzt kommt auch noch die Unsicherheit um die Peene-Werft hinzu.

Die Werft, spezialisiert auf den Neu- und Umbau von Marine- und Spezialschiffen, ist Wolgasts wichtigster Wirtschaftsfaktor. Sie hat 300 Beschäftigte, insgesamt hängen mehr als 1000 Arbeitsplätzen an der Schiffsproduktion. "Wenn hier die blauen Tore zugehen, dann wird's hier ganz schön dunkel", hat der parteilose Bürgermeister Stefan Weigler der SZ im Herbst mit Blick auf die Werft gesagt. Im November verabschiedeten die Stadtvertreter einstimmig einen Brandbrief an die Bundesregierung. "Sollte es zu keiner zügigen Lösung kommen, befürchten wir massive Auswirkungen auch auf viele städtische Einrichtungen, den Einzelhandel, Wohnungsvermieter und weitere Unternehmen. Die gesamte städtische Infrastruktur ist eng mit der Entwicklung der Peene-Werft verknüpft", hieß es in dem Schreiben, und: "Wir fordern ein klares Bekenntnis zum Schiffbaustandort Wolgast und zum Auftrag und zur Auslieferung der Küstenwachboote."

Die Boote nach Saudi-Arabien seien keine militärischen Fahrzeuge, so geht die Argumentation. Wer Verantwortung trägt für die Entwicklung von Wolgast kann fast nicht anders, als den Auftrag zu verteidigen. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsministerium mit Ressortchef Harry Glawe (CDU) stellt sich an die Seite der Lürssen-Gruppe, der die Peene-Werft gehört. "Die Werft meistert die gegenwärtige Situation verantwortungsvoll", teilt ein Sprecher mit und verweist darauf, dass die Werft nicht nur für Saudi-Arabien produziere. Die Peene-Werft baut etwa auch die Hinterschiffe für fünf neue Korvetten der Klasse 130 der Bundesmarine.

Das reiche allerdings nicht, um den aktuellen Ausfall zu kompensieren, meldet die Konzernzentrale in Bremen und erklärt: "Bleibt der Exportstopp unverändert bestehen, wird dies nicht nur belastende Auswirkungen auf die Beschäftigungslage der Werft und ihrer Zulieferunternehmen haben, sondern sich auch unmittelbar auf die geplanten Einnahmen und Umsätze auswirken." Selbst wenn der Stopp aufgehoben würde, könnte der Betrieb nicht sofort weitergehen. "Hintergrund ist, dass mit der Anfang November 2018 erfolgten Unterbrechung auch vor- und nachgeschaltete Prozesse wie etwa Materiallieferungen ausgesetzt wurden."

"Selbstverständlich respektieren wir jede politische Entscheidung über die Ausfuhr der Patrouillenboote", hat Geschäftsführer Jaekel im Herbst gesagt. Aber die Unsicherheit bringe nun "ein sich ständig erhöhendes kaufmännisches Risiko für die Peene-Werft" mit sich. Das klingt nicht gut für Wolgast.

© SZ vom 09.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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