Weimarer Republik:Revolutionär wider Willen

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"Ich will und werde als der Beauftragte des ganzen deutschen Volkes handeln, nicht als Vormann einer einzigen Partei": Friedrich Ebert. (Foto: SZ Photo/ United Archives)

"Einer der Großen der deutschen Demokratie­geschichte": Vor 100 Jahren wird Friedrich Ebert zum ersten Reichspräsidenten nach dem Ersten Weltkrieg gewählt.

Von Robert Probst, Berlin

Der Jubiläums- und Gedenkkalender zwingt den Bundespräsidenten in diesen Wochen immer wieder dazu, sich mit dem Jahr 1919 auseinanderzusetzen. Vieles ist passiert, damals vor 100 Jahren, nachdem das Kaiserreich zusammengebrochen und die Republik ausgerufen worden war. Angefangen mit der Gedenkrede zum 9. November 1918 folgten im dichten Takt: 100 Jahre Frauenwahlrecht, 100 Jahre Beamtenbund, 100 Jahre Bauhaus und erst vorige Woche in Weimar 100 Jahre Reichsverfassung. Diesen Montag nun lud Frank-Walter Steinmeier zu einer Matinee ins Schloss Bellevue. Zu würdigen galt es einen Mann, der für all diese 100-Jahr-Feierlichkeiten mittelbar oder unmittelbar maßgeblich verantwortlich war: Friedrich Ebert (1871-1925), SPD-Vorsitzender, Revolutionär wider Willen, Vorsitzender des Rats der Volksbeauftragten, Verteidiger der Demokratie, erster Präsident der Weimarer Republik. Der Bundespräsident mag solche Anlässe, für ihn ist klar: "Friedrich Ebert ist einer der Großen der deutschen Demokratiegeschichte."

Am 6. Februar 1919 trat die Nationalversammlung in Weimar zusammen, ihr Ziel: eine neue Verfassung für die Deutschen zu erarbeiten. Das "Gesetz über die vorläufige Staatsgewalt" bestimmte: "Der Reichspräsident wird von der Nationalversammlung mit absoluter Stimmenmehrheit gewählt. Sein Amt dauert bis zum Amtsantritt des neuen Reichspräsidenten, der auf Grund der künftigen Reichsverfassung gewählt wird." Am 11. Februar wurde Ebert mit 277 von 379 abgegebenen Stimmen zum ersten Reichspräsidenten gewählt. Sein Gegenkandidat, der ehemalige preußische Staatsminister und Reichsstaatssekretär für Inneres, Arthur Graf von Posadowsky-Wehner, ein Mann des alten Regimes, kam lediglich auf 49 Stimmen. Auf den ersten Blick war das ein großer Sieg.

"Ich will und werde als der Beauftragte des ganzen deutschen Volkes handeln, nicht als Vormann einer einzigen Partei", sagte Ebert nach der Wahl. Bravorufe verzeichnet das Protokoll. "Ich bekenne aber auch, dass ich ein Sohn des Arbeiterstandes bin . . . aufgewachsen in der Gedankenwelt des Sozialismus, und dass ich weder meinen Ursprung noch meine Überzeugung jemals zu verleugnen gesonnen bin", fuhr er fort. Hier gab es nur noch Applaus von der SPD-Fraktion.

Das Berliner Tageblatt kommentierte damals: "Man kann natürlich sagen, dass Ebert weder die höchste Kulturverfeinerung darstellt, noch ein hervorragender Staatsmann sei. Er hat aber sehr gewinnende und sehr wertvolle Eigenschaften, und vor allem diese volkstümliche Wärme und die tief wurzelnde Ehrlichkeit. Er ist kein leuchtendes Genie, er hat weniger studiert als mancher andere, aber verkörpert den sogenannten gesunden Menschenverstand."

Die Freiheit zu schützen "ist das erste Gebot derer, die die Freiheit lieben"

Doch die Zeiten waren schwierig. Die alten Eliten, die Rechten und die Völkischen sahen in Ebert einen "Novemberverbrecher", der die alte Ordnung vom Thron gestürzt hatte, die Linken sahen in ihm und seinen Mitstreitern einen Mann, der die Revolution gebremst und "verraten" habe. Und sie sahen in Ebert einen Mann, der mit aller Gewalt die Ordnung aufrechterhalten wollte und weitere Schritte Richtung "echter" Revolution, etwa Verstaatlichung der Industrie oder Umverteilung des Eigentums, verhindert wollte - und das im Verbund mit der früheren kaiserlichen Heeresleitung und mit ganz und gar nicht demokratischen Freiwilligenverbänden. Friedrich Ebert wurde darum in weiten Kreisen einer der meistgehassten Männer der jungen Republik. In seiner Amtszeit, in der nie die eigentlich vorgesehene Volkswahl des Präsidenten stattfand, führte er fast 200 Prozesse wegen Beleidigung oder Verleumdung. Als er 1925 starb, hatte er allerdings mit Geschick und Besonnenheit die Republik in einigermaßen ruhiges Fahrwasser manövriert. "Vielleicht stimmt es, dass Ebert manche Reform mutiger hätte angehen sollen. Aber wenn wir ein historisches Urteil fällen, sollten wir auch bedenken, wie groß die Probleme jener Tage waren und dass Friedrich Ebert aus lauteren Motiven handelte", lautet Steinmeiers Einschätzung.

Das Fazit des Bundespräsidenten, übrigens in Anwesenheit des AfD-Vorsitzenden und Fraktionschefs Alexander Gauland, der erstmals bei einem offiziellen Anlass im Schloss weilte: "An Friedrich Ebert zu erinnern heißt, sich bewusst zu machen, dass eine parlamentarische Demokratie nur stabil sein kann, wenn sich ihre Bürgerinnen und Bürger zu ihr bekennen. Und wenn sie bereit sind, für sie einzutreten, sich für sie zu engagieren."

Ebert hatte es vor 100 Jahren so formuliert: "Die Freiheit kann sich nur in fester staatlicher Ordnung gestalten. Sie zu schützen und wiederherzustellen, wo sie angetastet wird, das ist das erste Gebot derer, die die Freiheit lieben."

© SZ vom 12.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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