Waldbrände in Griechenland:Gefährliches Zündeln

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Ein Feuerwehrmann kämpft gegen das Buschfeuer in Fyli, einem Vorort von Athen, nahe dem Kloster Kleiston-Kloster Mariä Himmelfahrt. (Foto: Kostas Tzoumas / Eurokinis/Imago/Ane Edition)

In Griechenland geht ein Video um, in dem ein Mann seine Gefangenen präsentiert: Migranten, denen er Brandstiftung vorwirft. In dem feuergeplagten Land entsteht eine explosive Stimmung.

Von Raphael Geiger, Athen

Der Mann fand richtig, was er tat, also filmte er. Irgendwo im griechisch-türkischen Grenzgebiet, dort, wo gerade die Wälder brennen, machte er ein paar Schritte auf sein Auto zu, dann auf den Anhänger. Mit dem Handy filmte er, wie er die Tür des Anhängers öffnete, darin dicht gedrängt eine Gruppe von Menschen.

Ein paar Gesichter sieht man, junge Männer, die ängstlich nach draußen blicken. Dem Mann entgegen, der sie filmt, der sie offenbar kurz vorher aufgelesen und gefangen genommen hat. "Fünfundzwanzig Stück", sagt der Mann auf Griechisch. "Stück", das ist das Wort, das er für die Menschen benutzt.

"Sie werden uns verbrennen", ruft er. Alle, die das Video sehen, ruft er auf, es ihm gleichzutun. Migranten zu suchen und sie festzusetzen im Grenzgebiet. Weil sie es sein müssen, die schuld sind an den neuen Bränden. Da ist er sich sicher.

Zwei Krisen kommen hier zusammen

Das Video schaffte es nur kurz nach der Nachricht in die Medien, dass in der Nähe die Leichen von 18 Menschen gefunden worden waren, verteilt in einem Wald in der Nähe der Grenze. Andere Quellen sprachen von noch mehr Toten. Zwei der 18 seien Kinder gewesen, sagte der Gerichtsmediziner, der die Toten untersuchte.

In Griechenland kommen gerade zwei Krisen zusammen. Das Land erlebt, was Waldbrände betrifft, den drittschlimmsten Sommer seiner Geschichte. Und der Sommer ist noch nicht vorbei, jetzt, Ende August, brennt es schon wieder. Zwischen Samstag und Dienstag brachen 300 Feuer aus. Eines davon am Berg Parnitha, nahe der Hauptstadt Athen, über der am Mittwoch eine Rauchwolke lag. Nachts sah man die Flammen in der Ferne. Oder besser: in der Nähe, der Berg grenzt direkt an das Stadtgebiet.

Im Nordosten, an der türkischen Grenze, treffen die Brände auf die zweite Krise: die der Migration. Seit Jahren kommen Menschen über die Ägäis aus der Türkei nach Griechenland, aber auch über den Fluss Evros, der die beiden Staaten auf dem Festland trennt. Die rechtskonservative Regierung unter Kyriakos Mitsotakis schirmt die Region ab, sodass unklar ist, was genau dort mit den Migranten passiert.

Die Süddeutsche Zeitung erreichte einen Helfer, der bis Montag mit einigen der Menschen in Kontakt war. Seitdem erreicht er sie nicht mehr. "Sie sitzen auf Sandbänken im Fluss fest", sagt der Mann. "Die Situation ist sehr angespannt, es gibt Anwohner, die Jagd auf die Geflüchteten machen, und andere, die sie retten wollen." Sollte die Polizei sie aufgreifen, könnten sie Asyl beantragen - falls die Griechen sie nicht zwangsweise auf türkisches Gebiet zurückbringen. "Am liebsten wäre der Polizei wohl", sagt der Helfer, "sie würden alle sterben." Seinen Namen will er nicht sagen, aus Angst, er könnte von den Behörden als Schmuggler angeklagt werden, das gehe schnell.

Premier Mitsotakis macht aus seinem harten Kurs in der Migrationspolitik kein Geheimnis. Nur die illegalen Pushbacks streitet er ab, obwohl sie von diversen Medien nachgewiesen wurden. Sein Vorgehen an den Grenzen dürfte Mitsotakis auch bei der Wiederwahl im Juni geholfen haben. Dass Migranten für die Feuer verantwortlich sind, sagt Mitsotakis' Regierung so deutlich nicht. Allerdings tut sie auch nichts gegen den Eindruck, sie lässt ihn in den sozialen Medien lodern.

Eine Expertin spricht von einer "toxischen Gemengelage"

Neda Noraie-Kia von der Heinrich-Böll-Stiftung in Thessaloniki nennt die Brände in der Grenzregion zur Türkei eine "Horrorvorstellung". Die Menschen gerieten dort, gerade erst auf griechischem Boden, mitten in die Katastrophe der Waldbrände. Niemand könne überprüfen, was dort mit ihnen geschieht. Vorfälle wie jenen aus dem Video nennt Noraie-Kia "eine absurde Art von Selbstjustiz, die nicht von irgendwo kommt".

In Griechenland sei ein Klima entstanden, "in dem die Geflüchteten als Bedrohung gesehen werden". Regierungstreue Medien bezeichneten sie nur noch als "Illegale", also als Straftäter. So entstehe eine "toxische Gemengelage", sagt Noraie-Kia. In der Bevölkerung fühlten sich viele von der EU mit dem Problem alleingelassen. Aus deren Sicht passe es jetzt eben zusammen, wenn die "Illegalen" für die Feuer verantwortlich sein sollen.

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Zu den achtzehn Toten vom Dienstag kam vom Migrationsminister in Athen eine Beileidsnachricht, verbunden mit dem Hinweis, die Tragödie zeige "einmal mehr die Gefahren von irregulärer Migration". Am Mittwoch dann gab die Polizei bekannt, sie habe den Mann festgenommen, der seine Selbstjustiz filmte, dazu zwei seiner Helfer. Kurze Zeit später war im Fernsehen zu hören, es seien auch zwei Migranten in Gewahrsam genommenen worden. Ihnen werfe man Brandstiftung vor.

Die lokale Polizei dementierte das. Da war die Nachricht aber schon in der Welt. In vielen Köpfen wird sie bleiben.

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