Wahlkampfauftritte in Deutschland:Türkischer Außenminister tritt in Residenz des Generalkonsuls auf

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Çavuşoğlu in Berlin nach einem Treffen mit dem damaligen Außenminister Steinmeier. (Foto: dpa)
  • Der türkische Außenminister Çavuşoğlu will in Hamburg einen Wahlkampfauftritt absolvieren.
  • Nachdem die Veranstaltung wegen Problemen beim Brandschutz zunächst abgesagt worden war, soll sie nun in der Residenz des Generalkonsuls stattfinden.
  • Wenn viele Teilnehmer kommen, plant der Minister, im Freien zu sprechen.
  • Verschiedene Organisationen kündigten Proteste an.

Der Konflikt zwischen Deutschland und der Türkei um umstrittene Wahlkampfauftritte geht weiter. Erst am Montag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Kritik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zurückgewiesen, der der Bundesregierung "Nazi-Praktiken" vorgeworfen und angedeutet hatte, er werde auch gegen den Willen der Bundesregierung nach Deutschland kommen.

Nun legt sein Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu (AKP) nach. Nachdem sein für Dienstagabend geplanter Auftritt in Hamburg am Montag aus Brandschutzgründen abgesagt worden war, kündigte er an, auf alle Fälle in die Hansestadt zu fahren. "Ich werde gehen, niemand kann mich aufhalten", sagte Çavuşoğlu der Tageszeitung Hürriyet.

Inzwischen hat Çavuşoğlu offenbar einen neuen Ort für seinen Auftritt gefunden, bei dem er für die umstrittene Verfassungsreform in der Türkei werben will. Nach Angaben der Veranstalter wird der türkische Außenminister nun in der Residenz des türkischen Generalkonsuls in Hamburg-Uhlenhorst sprechen. Er werde dort gegen 18 Uhr erwartet, sagte ein Sprecher des Koordinationszentrums für die Auslandswähler der türkischen Regierungspartei AKP der Nachrichtenagentur dpa.

Auch die Polizei bestätigte das. Da sich die Residenz im Besitz des türkischen Staates befindet, handelt es sich um exterritoriales Gelände, für das etwa das kommunale Versammlungsrecht nicht gilt.

Je nach Teilnehmerzahl will Çavuşoğlu womöglich vom Balkon sprechen. Einem Vertreter der AKP-nahen Union Europäisch-Türkischer Demokraten soll der Auftritt am im Freien stattfinden, falls sich mehr als 150 Anhänger einfinden - trotz angekündigter Proteste gegen den Auftritt des Ministers.

Proteste gegen Minister-Auftritt geplant

Verschiedene Gruppen haben nämlich eine Demonstration gegen den Wahlkampfauftritt des Ministers an. So hat die Alevitische Gemeinde Hamburg eine Demonstration mit etwa 200 Teilnehmern für 17 Uhr angemeldet, wie die Polizei mitteilte. Auch das Bündnis "Nein zum Referendum" aus verschiedenen kurdischen und türkischen Organisationen wollte sich beteiligen. Die Aleviten wollen nach eigenen Angaben "gegen den Missbrauch der Grundwerte wie Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Pressefreiheit" protestieren.

Türkischer Wirtschaftsminister will gegen Bild vorgehen

Im Streit um die Wahlkampfauftritte hat der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci unterdessen rechtliche Schritte gegen die Bild-Zeitung angekündigt. In einerMitteilung kritisierte Zeybekci, der am Sonntagabend in Köln aufgetreten war, einen "empörenden Angriff, den wir auf keinen Fall akzeptieren können". Möglicherweise bezieht sich der Minister auf einen Bericht bei bild.de, in dem er als "treuester Kettenhund" Erdoğans bezeichnet wurde. Der Artikel schade auch der Freundschaft zwischen Deutschland und der Türkei.

"Wir werden uns öffentlich nicht dazu äußern", sagte die Leiterin der Unternehmenskommunikation von Axel Springer SE, Edda Fels, zu den Vorwürfen.

Schäuble fordert Deeskalation

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) forderte unterdessen von Präsident Erdoğan deeskalierende Schritte. "Es wäre klug, wenn Präsident Erdogan möglichst schnell einen Weg findet, das aus der Welt zu schaffen", sagte Schäuble in Berlin. "Wir können nicht akzeptieren, dass in einer solchen Weise über Deutschland geredet wird", fügte der Minister hinzu.

Schäuble mahnte zur Mäßigung. "Wir haben alle ein Interesse daran, nicht in einen Wettlauf der Eskalation einzutreten", sagte er. Die Türkei sei ein wichtiger Partner für Deutschland und für Europa. "Insofern sehen wir die politische Entwicklung, die rhetorische Entwicklung mit großer Sorge."

Die Bundesregierung will trotz scharfer Kritik am Nazi-Vergleich Erdoğans Auftritte türkischer Politiker in Deutschland nicht grundsätzlich verbieten. Merkel sagte, trotz ernster Meinungsunterschiede mit der Türkei und dem nicht zu rechtfertigenden NS-Vergleich gälten in Deutschland die Werte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

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