Wahlkampf im Saarland:Den Kick gibt erst der Gegner

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Beim Wahlkampfauftakt arbeitet sich Saarlands Ministerpräsident Müller an Lafontaine ab. Und übersieht dabei, dass der eigentliche Gegner aus einer ganz anderen Ecke kommen könnte.

C. Hickmann

Der Ort des Geschehens ist gar nicht so ungefährlich, zumindest von der Symbolik her, und vor allem um die soll es ja gehen an diesem Abend im Saarbrücker Flughafen.

Auf dem Präsentierteller: Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU). (Foto: Foto: dpa)

Flughäfen bringen nun mal bestimmte Assoziationen mit sich, weshalb schon vor Beginn des Termins ein paar Wortspiele recht nahe liegen, "Müller hebt ab" etwa oder, noch schlimmer, "Müller macht den Abflug".

Das weiß man auch in der Staatskanzlei, deshalb weist deren Personal entschieden darauf hin, dass man sich in der Ankunftshalle des Flughafens befinde, Ankunft, nicht Abflug, was aus Staatskanzlei-Sicht eine deutlich hübschere Symbolik ergibt: Peter Müller, saarländischer Ministerpräsident, kommt an. Das aber dauert erst noch ein bisschen.

Es ist Mittwochabend, die saarländische CDU hat zum "Auftakt für das Superwahljahr 2009" geladen, in dessen Mittelpunkt für sie die Landtagswahl am 30. August steht. Unter normalen Umständen verhielte es sich mit dieser Landtagswahl in etwa wie mit dem Saarbrücker Flughafen. Die Saarländer sind stolz auf ihn, doch eigentlich wirkt er eher possierlich, und Nicht-Saarländer könnten fragen, ob man ihn tatsächlich braucht - so wie immer mal wieder jemand die Existenzberechtigung dieses Bundeslandes anzweifelt: zu klein, heißt es dann, soll doch mit Rheinland-Pfalz fusionieren.

Auch diese Landtagswahl wäre normalerweise ein Ereignis, das außerhalb des Saarlandes nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit hervorriefe. Der Ministerpräsident von gerade einmal einer Million Bürgern wird neu gewählt - na und?

So aber wird es nicht kommen, was hauptsächlich am ehemaligen saarländischen Ministerpräsidenten Lafontaine liegt. Der hat verkündet, er wolle wieder Ministerpräsident werden, diesmal für die Linke, weshalb sich bereits jetzt angeblich sogar japanische Journalisten für die Existenz des Saarlandes interessieren.

Hinzu kommt, dass hier nach der Wahl, je nach Ergebnis, die erste rot-rote (oder rot-rot-grüne) Landesregierung im Westen der Republik gebildet werden könnte, ein Jahr nach dem Ypsilanti-Debakel in Hessen - und vier Wochen nach der Landtagswahl wird der Bundestag gewählt. Die Saarland-Wahl ist also gleich in mehrfacher Hinsicht mit Bedeutung aufgeladen. Vielleicht sogar ein wenig überladen.

"Politik erster Klasse" auf dem Präsentierteller

So wirkt dann auch die Ankunftshalle an diesem Abend. "Politik erster Klasse", so haben sie die Veranstaltung überschrieben, die Dekoration ist hauptsächlich in Orange gehalten, und oben auf der Empore sitzen hinter Rechnern jüngere CDU-Leute. Sie sollen die Veranstaltung live für das Internet aufbereiten.

Das muss jetzt wohl so sein, und es ist halb neun, als es endlich etwas zu berichten gibt: Peter Müller bahnt sich seinen Weg durch die beachtlich dicht gedrängte Menge, bis er die zwei Stufen zum Podium nimmt, das kreisrund ist, orange leuchtend, exakt so, wie man sich immer einen Präsentierteller vorgestellt hat.

Vor Müller steht die überwiegend männliche Menge, hinter ihm in mehreren Reihen und orangefarbenen T-Shirts die Junge Union. Dann wünscht Müller einen wunderschönen guten Abend und sagt, dass die CDU stärkste Kraft im Saarland bleiben werde.

Wenige Stunden zuvor hat der Saarländische Rundfunk eine Umfrage veröffentlicht, in der die Union das tatsächlich ist. Und trotzdem kann sich Peter Müller darüber nicht gefreut haben. Auf 36 Prozent kommt seine derzeit mit absoluter Mehrheit regierende CDU darin, zusammen mit der FDP wären es 45 Prozent - ebenso viel, wie SPD und Linkspartei gemeinsam haben, während die Grünen bei sieben Prozent liegen.

Die Zustimmungsrate für die Linkspartei ist wieder unter 20 auf 18 Prozent gesunken, während die SPD auf 27 Prozent geklettert ist. Dürften die Saarländer direkt zwischen Müller und dem SPD-Spitzenkandidaten Heiko Maas entscheiden, würden 47 Prozent Müller wählen und 39 Prozent Maas, was ein besserer Wert ist als jene 32 Prozent, auf die Lafontaine im direkten Vergleich mit Müller kommt.

Das lässt zwei Rückschlüsse zu: Erstens dürfte es eng werden, zweitens scheint Müllers Strategie nicht aufzugehen, Lafontaine zum einzig ernstzunehmenden Gegner zu erklären.

Oskar Lafontaine
:Der Trommler von der Saar

Linker Scharfmacher oder der gefährlichste Mann Europas wurde er von Kritikern genannt. Oskar Lafontaine hatte noch viel vor. Nun bremst ihn ein Krebsleiden.

Und doch braucht er nicht lang, bis er wieder bei ihm ankommt. Er hat kurz über die Krise geredet und eigene Erfolge gelobt, dann ist er auch schon bei "Rot-Rot", der größten "Bedrohung für die Existenz des Saarlands, die es zur Zeit gibt" - und ein paar Sätze weiter beim "unbeliebtesten Politiker Deutschlands": "Mit Oskar Lafontaine werden wir zur Lachnummer der Republik", ruft er. "Das wollen wir unserem Land ersparen!"

Peter Müller braucht einen Aufreger, um die CDU-Anhänger zu mobilisieren. Bisher hat er nur Oskar Lafontaine von der Linkspartei gefunden. (Foto: Foto: dpa)

Das wirkt leicht hilflos, ist aber verständlich. Seit fast zehn Jahren ist Müller Ministerpräsident, er stellt sich zum zweiten Mal zur Wiederwahl. Solche Wahlkämpfe sind besonders schwierig, man kann nicht für etwas radikal Neues eintreten, sondern muss für ein "Weiter so" werben, was per se wenig spannend ist. Zudem ist das Saarland von der Wählerstruktur her kein CDU-Land. Müller, dessen bundespolitische Bedeutung doch sehr zusammengeschrumpft ist, muss die eigenen Anhänger mobilisieren und braucht dafür einen Aufreger. Bislang eignet sich dafür lediglich Lafontaine.

Mit seiner Rede könnte er auch auf einem SPD-Parteitag bestehen

Immerhin kann man über Peter Müller an diesem Abend nicht sagen, dass er erschöpft wirkte, müde vom Amt, wie es seit Monaten über ihn erzählt wird.

Stattdessen liefert der Mann, den sie einst einen jungen Wilden nannten, einen agilen Auftritt ab, dreht sich mal nach links, mal nach rechts und ist zumindest stimmlich eine Stunde lang sehr präsent. Etwa nach der Hälfte jedenfalls wünscht man sich, es erinnerte ihn mal jemand daran, dass er ein Mikro in der Hand hält und deshalb gar nicht so schreien müsste.

Rein inhaltlich könnte er mit seiner Rede auch auf einem SPD-Parteitag bestehen, abgesehen von jenen Passagen, in denen er den Schulkampf heraufbeschwört und vor der "Abschaffung des Gymnasiums" warnt. Es geht um Gerechtigkeit in der Krise, um Facharbeiter und Handwerker, um die man sich kümmern müsse, im Gegensatz zu Managern mit überhöhten Gehältern.

Fataler Slogan

"Wenn's drauf ankommt: Peter Müller", so lautet sein Slogan. Er erinnert fatal an den Spruch "In Zeiten wie diesen: Roland Koch", mit dem sein hessischer Amtskollege nicht so erfolgreich war wie gehofft.

Wobei man Müller nicht vorwerfen kann, er mache sich keine Gedanken um die Zukunft - im Gegenteil, er erzählt, wie er sich das Saarland im Jahr 2025 vorstellt: Es werde dann beispielsweise keine Schulklasse mit mehr als 25 Schülern geben, sagt er, was einen etwas ratlos zurücklässt. Weil man doch gern mehr über die etwas nähere Zukunft erfahren hätte als über 2025.

Vielleicht ist dann einer der jungen, orangefarben gekleideten Menschen Ministerpräsident, die nach der Rede ihre Schilder hochhalten. "Peter, Peter!", rufen sie, und vor der Bühne applaudiert die Menge, stimmt aber nicht ein in den Sprechchor. Vier Monate haben sie noch zum Üben, dann wird es ernst. Für Müller, für das Saarland und überhaupt. Es geht ja gerade erst los.

© SZ vom 24.04.2009/liv - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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