Mehrheit im Bundestag für Billionen-Paket sicher:Kraftakt für Europa

Lesezeit: 2 Min.

Im Bundestag zeichnet sich eine breite Mehrheit für die neuen Instrumente des Euro-Rettungsschirms EFSF ab. Die Fraktionsspitzen von Union, FDP, SPD und Grünen vereinbarten einen gemeinsamen Antrag, der es Kanzlerin Merkel in Brüssel erlaubt, die Schlagkraft des EFSF auf mehr als eine Billion Euro zu erhöhen. Die Koalition muss jedoch mit Abweichlern rechnen.

Cerstin Gammelin, Brüssel, Susanne Höll und Claus Hulverscheidt, Berlin

Der Bundestag wird an diesem Mittwoch eine umfassende Reform des Euro-Rettungsfonds EFSF billigen. Das deutete sich am Dienstag bei Probeabstimmungen der Fraktionen von Union, FDP, SPD und Grünen über einen gemeinsamen Antrag an. Dieser erlaubt es Kanzlerin Angela Merkel, zusammen mit ihren europäischen Kollegen die Schlagkraft des EFSF auf mehr als eine Billion Euro zu erhöhen. Merkel wies Berichte zurück, die EZB solle zu fragwürdigen Hilfsaktionen gedrängt werden.

Warten auf die Entscheidung: Kanzlerin Angela Merkel am Dienstag  vor der Sitzung der Unionsfraktion. (Foto: dapd)

Die Staats- und Regierungschefs wollen die Neugestaltung des EFSF am Mittwochabend beim Euro-Gipfel in Brüssel beschließen. Ziel ist es, den zur Verfügung stehenden Betrag von 440 Milliarden Euro so einzusetzen, dass mit dem Geld eine deutlich größere zusätzliche Summe an privatem Kapital mobilisiert wird. Alles in allem könnte so mehr als eine Billion Euro zusammenkommen.

Bevor Merkel dem Paket zustimmt, will sie am Mittag eine Regierungserklärung im Bundestag abgeben. Anschließend soll das Parlament über die gemeinsame Entschließung der Fraktionen abstimmen. Bei der Probeabstimmung der Union gab es sieben Nein-Stimmen, in der FDP waren es vier. Damit hätte Merkel die Kanzlermehrheit hinter sich. Bei den Grünen votierte kein einziger Abgeordneter mit Nein, in der SPD gab es einige wenige Gegenstimmen. Die Linke beteiligte sich nicht an dem Antrag.

In dem gemeinsamen Papier plädieren die Fraktionen für einen "möglichst effizienten" Einsatz der EFSF-Mittel, gestehen aber auf Dringen von SPD und Grünen auch ein, dass die Reform das Risiko für den deutschen Steuerzahler erhöhen könnte. Zugleich wird die Regierung aufgefordert, das zugesagte deutsche Bürgschaftsvolumen für den EFSF von maximal 211 Milliarden Euro einzuhalten. Die Opposition setzte zudem durch, dass die Forderung nach Einführung einer Finanztransaktionsteuer sowie nach einem Ende der Staatsanleihen-Käufe durch die Europäische Zentralbank in die Entschließung aufgenommen wurde. Sollten solche Käufe zur Stützung klammer Euro-Länder weiter nötig sein, soll dies vielmehr der geänderte EFSF übernehmen.

Genau dieser Punkt könnte allerdings beim Gipfel in Brüssel neuen Streit zwischen Frankreich und Deutschland entfachen. Wie aus dem Entwurf des Gipfel-Kommuniqués hervorgeht, wollen die Staats- und Regierungschefs nämlich die EZB offenbar sehr wohl weiter in die Pflicht nehmen. In dem Papier heißt es, die Bank habe die "volle Unterstützung" der Euro-Staaten, wenn sie die gemeinsame Währung auch mit Hilfe "außergewöhnlicher Maßnahmen" stabil halten wolle.

EU-Diplomaten bezeichneten die Passage als Zugeständnis Merkels an Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy, der die Notenbank zunächst noch stärker heranziehen wollte. Merkel selbst wies die Spekulation zurück, die EZB solle zu etwas gedrängt werden. "Der Satz ist von Deutschland nicht akzeptiert, wie er jetzt in dem Kommuniqué steht", sagte sie. Dagegen warnte der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider vor "weiteren Deals zwischen Frau Merkel und Herrn Sarkozy zu Lasten der EZB".

In Brüssel zeichnete sich vor Beginn des Gipfels zudem ab, dass die privaten Gläubiger Griechenlands, also die großen Banken, Versicherungen und Investmentfonds, auf "mindestens 50 Prozent" ihrer Forderungen verzichten sollen, und zwar "möglichst freiwillig". Sollten sie dazu nicht bereit sein, könnte der Schuldenschnitt zwangsweise durchgesetzt werden, sagte ein führender EU-Diplomat.

© SZ vom 26.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: