Volksabstimmung über den Fiskalpakt:Kenny hofft auf Vertrauen der Iren

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Wochenlang hat Irlands Regierungschef Kenny für den europäischen Fiskalpakt geworben. Kenny gilt als verlässlich und genießt das Vertrauen der Iren. Nun wird sich zeigen, ob sie ihm auch bei der Abstimmung über den Fiskalpakt vertrauen.

Christian Zaschke, London

Mehr als einhundert Mal hat der irische Premierminister Enda Kenny den Croagh Patrick bereits bestiegen. Der Berg liegt mitten in seinem Wahlkreis im County Mayo und ist ein Wallfahrtsort. Im 5. Jahrhundert soll Irlands Schutzpatron, der Heilige Patrick, 40 Tage lang auf dem Gipfel gefastet haben. Anschließend habe er eine Kapelle gebaut und eine Glocke vom Berg geworfen und auf diese Weise sämtliche Schlangen von der Insel vertrieben.

Irlands Premierminister Enda Kenny hat das Vertrauen der Bevölkerung gewonnen. (Foto: AFP)

Für Kenny ist die Besteigung des Berges aus zwei Gründen wichtig. Er genießt den Blick über seine wunderschöne Heimat Mayo, und er wandert. Dabei kann er am besten entspannen. Der Croagh Patrick ist nur 764 Meter hoch, das schafft man - wie alljährlich im Juli Tausende Pilger beweisen - zur Not sogar barfuß.

Der Wanderer Kenny ist ein Mann der Beharrlichkeit. Seit 36 Jahren sitzt der 61 Jahre alte Familienvater bereits im Parlament, und es dauerte lange, bis er vom Hinterbänkler zum einflussreichen Politiker wurde.

Von 1994 bis 1997 war er Tourismusminister. 2001 bewarb er sich erstmals um den Vorsitz der konservativen Partei Fine Gail, unterlag jedoch dem heutigen Finanzminister Michael Noonan. Kenny übte sich in Geduld. Nachdem Fine Gail bei den Parlamentswahlen 2002 eine Schlappe einstecken musste und Noonan zurücktrat, bewarb er sich erneut und gewann. Wieder begannen Jahre des Wartens. Erst im Februar 2011 wurde Enda Kenny der "Taoiseach", der irische Premierminister. Er steht einer Koalition aus Fine Gail und Labour vor.

Kenny wirbt für Zustimmung

Mit der ihm eigenen Beharrlichkeit hat er das Land in den vergangenen Wochen auf die Volksabstimmung über den europäischen Fiskalpakt vorbereitet. Unermüdlich warb er für ein "Ja" - in Fernsehauftritten, Ansprachen und Zeitungsartikeln. Laut den letzten Umfragen scheinen seine Bemühungen von Erfolg gekrönt zu werden: Eine Mehrheit will dem Pakt zustimmen.

Das liegt daran, dass sich Kenny das Vertrauen der Iren erworben hat. Der rigide Sparkurs seiner Regierung wird von den meisten Iren akzeptiert und als alternativlos angesehen - auch, weil Kenny ihn überzeugend so verkauft. Vor seinem Amtsantritt wurde er in den Medien meist als langweilig und blass beschrieben. Er hat sich seither nicht wesentlich geändert, gilt nun aber als ruhig und verlässlich, mithin als der richtige Mann in Zeiten der Krise.

Ohnehin passt die Beschreibung als Langweiler nicht gut zu Kenny. Er kann sehr direkt sein, wie voriges Jahr der Vatikan zu hören bekam. Nachdem im Juli 2011 ein irischer Untersuchungsbericht über Kindesmissbrauch durch katholische Priester nahelegte, der Vatikan habe der Aufklärung der Verbrechen im Wege gestanden, nannte Kenny die Würdenträger in Rom "abgehoben, elitär und narzisstisch". Das war im katholischen Irland unerhört; Kennys Äußerungen markierten eine Zeitenwende im Verhältnis des Landes zum Heiligen Stuhl.

Dass Kenny auch als beharrlicher Wanderer zu mehr in der Lage ist, als bloß den Croagh Patrick zu erklimmen, hat er 2003 bewiesen: Damals bestieg er den Kilimandscharo im Norden von Tansania, dessen Gipfel sich auf 5893 Meter erhebt.

© SZ vom 01.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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