Vierkirchen:Der doppelte Brückner

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Horst Brückner wollte gar kein Bürgermeister sein. Jetzt hat er das Amt gleich in zwei Gemeinden inne. Über einen Mann, der Rückhalt in der Bevölkerung genießt und dem nur die sächsische Gemeindeordnung zum Verhängnis werden kann.

Von Cornelius Pollmer, Dresden

Vor nicht allzu langer Zeit gewann Horst Brückner aus Waldhufen in Sachsen eine Wahl gegen Angela Merkel. Das kam so: In Vierkirchen, der Nachbargemeinde von Walhufen, wurde ein neuer Bürgermeister gesucht. Weil sich kein einziger Kandidat für das Amt in der Oberlausitz gefunden hatte, stand auf dem Wahlzettel auch kein einziger Name. Die Menschen in Vierkirchen - 1700 Seelen, 1200 davon wahlberechtigt - durften und mussten im Freistil wählen. Mehr als 70 Namen kamen zusammen, darunter der von Merkel. "Viele haben wahrscheinlich auch den Namen ihrer Nachbarn drauf geschrieben, um die zu ärgern", sagt Horst Brückner. Mit Abstand am häufigsten aber stand ein bestimmter Name auf den Zetteln - seiner. 65,5 Prozent. Wiedergewählt im ersten Durchgang, eigentlich.

Seit sieben Jahren ist Horst Brückner, 62, nun Bürgermeister in Vierkirchen. Er würde es gerne bleiben, darf das aber nicht. Seit 25 Jahren ist Brückner nämlich auch Oberhaupt von Waldhufen, seiner Heimatgemeinde. Ein doppelter Bürgermeister? Das funktionierte die vergangenen Jahre ganz gut. Beide Gemeinden arbeiten in vielen Belangen zusammen, bei Trink- und Abwasser etwa. "Und sie sparen ja auch ein paar Tausend Euro im Jahr", sagt Brückner. Fahrt- und Telefonkosten, auch die Aufwandsentschädigung, die der doppelte Brückner nur einfach erhält. An Rückhalt im Volk mangelte es ihm nicht, in Waldhufen ist er ebenfalls wiedergewählt worden. Was Horst Brückner fehlt, ist der Rückhalt durch die sächsische Gemeindeordnung. Sie wurde 2014 geändert, das Doppelamt ist seitdem unzulässig. Die Ausnahmegenehmigung endet mit dieser Wahlperiode. Das Gesetz ist damit zu einer Lex Brückner geworden, demokratietheoretisch sinnvoll um Klüngel zu vermeiden - in Brückners Einzel- ist sie aber auch ein Härtefall.

Horst Brückner sagt, er habe die Illusion aufgegeben, dass es mal leichter wird in der Politik

An diesem Sonntag wird es also einen zweiten Wahlgang in Vierkirchen geben. Kandidaten? Gibt es nach wie vor keine. Sollte Brücker wieder vorne liegen, darf er die Wahl nicht annehmen. "Wenn man mich abgewählt hätte, wäre das auch schlimm gewesen. Aber so ist es noch viel schlimmer", sagt Horst Brückner. Den grundsätzlichen Gedanken hinter der Reform kann er verstehen. Aber: "Interessenkollision? Da gibt es doch so viele Politiker, auf die das in ganz anderer Weise zutreffen würde", sagt Brückner. Dann beschreibt er seinen Verlust: die Zuständigkeit für drei Feuerwehren wird er verlieren, einen Gemeinderat, drei Ortschaftsteile. Schade.

Dass die Jüngeren in der Gegend sich für das Amt nicht aufdrängen, macht Brückner ihnen nicht zum Vorwurf. Er habe sich ja früher auch weniger mit Politik befasst. Und er sieht, dass der Reiz des Bürgermeisteramtes mit den Jahren und über Reformen hinweg nachgelassen hat. Der Begriff der kommunalen Selbstverwaltung sei ein trügerischer geworden. "Im Alltag hat man da oft keine Gestaltungsfreiheit. Da heißt es: Paragraf so und so und jene Vorschrift nicht vergessen. Man leistet die gleiche Arbeit wie früher, aber der Aufwand wird immer größer." Horst Brückner sagt, er habe die Illusion aufgegeben, dass irgendetwas mit der Zeit leichter würde in der Politik. Umso schwerer fällt es ihm, sein Aus in Vierkirchen anzunehmen. "Sonst wird immer lamentiert, dass es so wenige gibt, die ein Ehrenamt anstreben - und jetzt das", sagt Horst Brückner aus Waldhufen in Sachsen, der sein Bürgermeisteramt verlieren, aber Bürgermeister bleiben wird.

© SZ vom 27.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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