Verteidigungsminister Jung:Schwacher Mann auf dem Schleudersitz

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Das Krisenmanagement von Franz Josef Jung nach den Luftangriffen war katastrophal. Doch der Wahlkampf rettet dem Verteidigungsminister wohl das Amt.

Peter Blechschmidt

Ein Ministersessel kann leicht zum Schleudersitz werden. Allen voran der Stuhl des Verteidigungsministers. 250.000 Soldaten, 125.000 zivile Angestellte - in einem solchen Riesenapparat kann jeden Tag etwas passieren.

Franz-Josef Jung hat in dieser Hinsicht bisher viel Glück gehabt. Weder tote deutsche Soldaten in Afghanistan noch Bundeswehr-Unteroffiziere, die mit Totenschädeln Schindluder treiben, oder verunglückte Auftritte auf internationalem Parkett haben dem Verteidigungsminister etwas anhaben können, ein Rücktritt oder gar ein Rauswurf war kein Thema.

Auch das Desaster von Kundus dürfte Jung vermutlich nicht den politischen Kopf kosten. Drei Wochen vor der Bundestagswahl ist in Merkels Kabinett Schadensbegrenzung angesagt, nicht Radikalkur. Und dies, obwohl das Krisenmanagement des Verteidigungsministeriums nach diesem bisher folgenschwersten Vorfall im deutschen Verantwortungsbereich in Nord-Afghanistan katastrophal war und ist.

Die Presse wurde am Freitag nur kursorisch und mit teilweise widersprüchlichen Darstellungen abgespeist. Die Obleute des Verteidigungsausschusses erhielten eine 16-Zeilen-Mitteilung, die nach ihrer Ansicht an Dürftigkeit nicht zu überbieten war.

Der Minister selbst gab sich mit floskelhaften Kurzauftritten im Fernsehen zufrieden und schob ein paar Sätze in Interviews mit den Sonntagszeitungen nach. Derweil errangen Dorfbewohner in Kundus und befreundete Außenminister mit freigiebigen Kommentaren die Deutungshoheit.

Dagegen waren die offiziellen Vertreter der Bundeswehr nicht autorisiert, detaillierte Angaben zu den Geschehnissen zu machen. Das passt zum Bild einer Ministeriumsleitung, die sich am liebsten einigeln würde und auf jede Kritik dünnhäutig reagiert.

Dass dies so ist, liegt möglicherweise an den Erfahrungen, die Jung selbst gemacht hat. Mehrfach wurde er wegen unbedachter Äußerungen von seiner Kanzlerin zurückgepfiffen - so als er die Beteiligung der Bundeswehr an der UN-Mission Unifil im Nahen Osten als Kampfeinsatz bezeichnete oder als er frühzeitig einen - viele Monate später tatsächlich beschlossenen - Einsatz von Awacs-Aufklärungsflugzeugen über Afghanistan ankündigte.

Als er im November 2005 sein Amt antrat, galt er als Verlegenheitslösung. Da der hessische Landeschef Roland Koch nicht selbst ins Bundeskabinett wollte, musste sein enger Vertrauter Jung ran. Eigentlich wäre der Winzersohn und promovierte Jurist lieber Landwirtschaftsminister geworden.

In den ersten Monaten seiner Amtszeit hatte Jung eine ausgesprochen schlechte Presse.Später gewöhnte sich die Öffentlichkeit an seine ungelenken Formulierungen. Besonders sein Satz, die Bundeswehr leiste in Afghanistan einen Beitrag zu "Stabilität und friedlicher Entwicklung" wurde zur Stereotype.

Beharrlich weigert sich Jung, von einem "Krieg" in Afghanistan zu sprechen. Das hat juristische Gründe, liegt vor allem aber daran, dass die Regierung insgesamt die politische Auseinandersetzung über die deutsche Beteiligung an einem "Krieg" scheut.

Immerhin hat sich Jung vor einiger Zeit aufgerafft, von toten Bundeswehrsoldaten als "Gefallenen" zu sprechen. Er würde nach der Bundestagswahl gern im Amt bleiben, hat Jung wissen lassen. Kundus und die Folgen haben seine Chancen nicht verbessert.

© SZ vom 07.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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