Wer sich dem alten Aerodrom in Kramatorsk nähert, fährt aus der Stadt hinaus über kleine Straßen, an denen sich Siedlungshäuser reihen, links liegt ein Friedhof. Bevor die Straße in einen Feldweg übergeht, versperren ein Metalltor und Sichtschutz den Weg, davor Soldaten in Winteruniform, dahinter Erdwälle, Spuren von schweren Fahrzeugen im Schnee.
Das Hauptquartier der ATO, der "Antiterroroperation" genannten Zentrale der ukrainischen Armee für den Kampf gegen die Separatisten, liegt denkbar abgelegen; selbst Einheimische in der Industriestadt können den Weg meist nicht weisen.
Kramatorsk liegt kilometerweit von der Front entfernt
Am Dienstag jedoch regneten Raketen auf das Hauptquartier und umliegende Gebäude herab. 41 Häuser seien zerstört worden, sagte Präsident Petro Poroschenko nach einer nächtlichen Kurzvisite in Kramatorsk in einer Kabinettssitzung, 13 Zivilisten seien getötet worden. Laut der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kamen die Raketen aus dem von Separatisten besetzten Gebiet.
Das Ungewöhnliche in diesem an Grausamkeiten reichen Krieg: Kramatorsk und das Aerodrom liegen kilometerweit entfernt von der Front. Die prorussischen Milizen, so die Vermutung in Kiew, wollten offenbar zeigen, dass ihre Technik und ihre Ansprüche weit über das umkämpfte Gebiet hinausreichen.
Poroschenko war demonstrativ in der Nacht vor seiner Reise nach Minsk zuerst zu den Opfern des Angriffs in den Osten geflogen. Er besuchte ein dreijähriges Kind im Krankenhaus, das durch den Raketenbeschuss nicht nur seinen Arm, sondern auch seine Mutter verloren hat, und sprach von einer barbarischen, unmenschlichen Aggression. Der 11. Februar sei mit den in Minsk anberaumten Verhandlungen daher vielleicht der kritischste, wichtigste Tag in der Geschichte der Ukraine.
Die US-Armee will schon bald ukrainische Soldaten ausbilden
Er werde sich für einen Waffenstillstand ohne Vorbedingungen einsetzen. Aber eines müsse klar sein, so Poroschenko in seiner Rede: Die Ukraine müsse als Staat in seinen jetzigen Grenzen bestehen bleiben. "Wir fordern den Aggressor auf, das Land zu verlassen."
Die ukrainische Führung machte vor dem Treffen in Weißrussland auch klar, welche Forderung sie auf keinen Fall erfüllen werde: eine Autonomie der von den Separatisten ausgerufenen Volksrepubliken, bei denen Kiew die Kontrolle über zentrale Politikfelder aufgeben müsste. Verteidigung, Sicherheit, Korruptionsbekämpfung, Menschenrechte, Justiz - all das sei nicht verhandelbar.
Unterdessen drohte Poroschenko, dass Kiew das Kriegsrecht ausrufen könnte, sollten die Verhandlungen in Minsk scheitern. Premier Arsenij Jazenjuk forderte die Ukrainer auf, nicht nur militärisch alle Kräfte zu mobilisieren, sondern auch seelisch. "Dieser Krieg fordert nicht nur Menschenleben, sondern wir riskieren auch unser aller Überleben." 2014 sei die Wirtschaft um etwa 20 Prozent eingebrochen, "gleichzeitig müssen wir Löhne, Renten, Sozialfürsorge zahlen, den Flüchtlingen helfen". Der Feind, so Jazenjuk in einem emotionalen Appell, müsse bekämpft werden, aber auch bei den Reformen "dürfen wir nicht nachlassen".
Von März an will die US-Armee ukrainische Soldaten ausbilden - unter anderem darin, sich vor Artillerie-Angriffen zu schützen. Ein Bataillon amerikanischer Soldaten werde für drei Bataillone der Ukrainer zuständig sein, erklärte der Oberkommandeur der US-Armee in Europa, Ben Hodges, am Mittwoch im polnischen Stettin.