Verfassungsschutz:Überfällig

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Der Bundesinnenminister verabschiedet Hans-Georg Maaßen in den Ruhestand. Das aber genügt nicht.

Von Constanze von Bullion

Man könnte natürlich auch lachen über diese Geschichte. Ein überambitionierter Spitzenbeamter will sein Land retten, vor allem offenbar vor Einwanderung. Er lehnt die Haltung der Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage ab und kämpft gegen eine als "naiv" empfundene Sicherheitspolitik. Hans-Georg Maaßen hat als Verfassungsschutzpräsident geschwiegen, als in Dresden ein Mitarbeiter der Polizei mit Fremdenfeinden demonstrierte. Er nahm keinen Abstand, als in Chemnitz Rechtsradikale Krawall schlugen und auf vermeintlich Fremde losgingen, sondern verzettelte sich öffentlich in Verschwörungstheorien. Es folgte: eine Regierungskrise, eine Rettungsaktion durch den Innenminister, der den beschädigten Behördenleiter in sein Haus holen wollte. Auch das hat Maaßen jetzt zerredet. In einer wehleidigen Abschiedsansprache machte er Medien, Grüne und "linksradikale Kräfte in der SPD" für den ganzen Schlamassel verantwortlich. Das ist ein Witz, nur eben kein guter.

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat den Volten des Hans-Georg Maaßen nun ein Ende gemacht und ihn in den einstweiligen Ruhestand versetzt, endlich. Die Höhe der Altersbezüge, die der Spitzenbeamte mit heimnimmt, dürften Maaßens Bedauern mildern. Der Job als Sonderberater des Innenministers, den Seehofer ihm noch mühsam zugeschanzt hatte, war wohl sowieso nicht nach dem Geschmack des Karrierejuristen. Er könne sich auch ein Leben jenseits des Staatsdienstes vorstellen, in der Politik oder in der Wirtschaft, gab er vor internationalen Geheimdienstlern zum Besten. So viel Hochnäsigkeit, aber auch so viel Verachtung für die eigene Regierung, hat in einem wichtigen Staatsamt nichts verloren. Hans-Georg Maaßen geht zu Recht, und keiner muss ihm nachtrauern.

Ein Grund aufzuatmen aber ist die verspätete Abberufung nicht. Denn das wochenlange Gezerre hat eine gefährliche Indifferenz in den Sicherheitsbehörden angesichts der neuen Rechten ans Licht befördert. Mit keinem Wort hat der scheidende Verfassungsschutzpräsident erwähnt, wie selbstbewusst sich Rassisten und AfD-Anhänger neuerdings unterhaken, um gegen die freiheitliche Grundordnung vorzugehen.

Auch vom Bundesinnenminister war kein Wort dazu zu hören, warum Polizisten - etwa in Sachsen - tatenlos zusahen, als Neonazis den Hitlergruß zeigten. Rechtsdrift bei Polizei und Verfassungsschutz? Institutioneller Rassismus? Ach wo. Was nicht sein soll, wird weggeschwiegen. Seehofer und Maaßen ließen den Eindruck im Raum stehen, rechte Umtriebe seien eine Art Notwehr, die von ganz oben gebilligt werde.

Das bittere Erbe der Affäre Maaßen ist die enorme Ermutigung, die Demokratiefeinde vom rechten Rand in den vergangenen Wochen erfahren haben. Die Verantwortung dafür trägt als erster Bundesinnenminister Seehofer. Er war es, der sich für Maaßen einsetzte, auch dann noch, als schon klar war, wohin dessen Reise ging. Gemeinsam gegen die Kanzlerin, war da wohl das Motto. Schwerer noch aber wog Seehofers Weigerung, ein unmissverständliches Zeichen zu setzen: dass Rechtsextremisten und ihre stillen Mitläufer nicht geduldet werden, weder auf der Straße, noch in Sicherheitsbehörden. Fehlt dem Minister zu dieser Klarheit die Kraft, ist er nicht der Richtige an der Spitze des Bundesinnenministeriums. Es ist jetzt Härte gefragt.

© SZ vom 06.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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