Verfassungsschutz:Freiwilliger Abschied

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Die AfD will Mitglieder zum Austritt bewegen, die mit ihrer Auslegung der Meinungsfreiheit nach Ansicht der Partei zu weit gehen. Aber eine mögliche Beobachtung durch den Verfassungsschutz nennt Parteichef Meuthen "absurd".

Von Jens Schneider, Berlin

Jörg Meuthen nennt die Forderung nach einer Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz „politisch motiviert“. „Wir beklagen das Messen mit unterschiedlichem Maß.“ (Foto: Soeren Stache/dpa)

Mit einer Art Doppelstrategie will die AfD einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz entgehen. Einerseits soll eine von der Parteispitze eingesetzte "Arbeitsgruppe Verfassungsschutz" juristische Schritte vorbereiten. Dazu wird nach Angaben des Parteivorsitzenden Jörg Meuthen eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehören. Zugleich soll die Arbeitsgruppe in die AfD hineinwirken, laufende Parteiordnungsverfahren zentral erfassen und "Handreichungen" für die 33 000 AfD-Mitglieder entwickeln, die Empfehlungen für eine unangreifbare Ausdrucksweise enthalten sollen. Die Partei will zudem eine "außenstehende unabhängige Kommission" einrichten, die sich mit Parteiordnungsverfahren befassen oder weitere Prüfungen anregen soll.

Meuthen nannte am Montag in Berlin alle Forderungen nach einer Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz "absurd". Seine Partei stehe "felsenfest auf dem Fundament der freiheitlich-demokratischen Grundordnung", sagte er und bezeichnete die Forderungen als "politisch motiviert". In der Summe sei "fehlende Gesetzestreue" kein Problem der AfD, sondern "bei den Altparteien zu suchen", sagte er. Seine Partei nehme das "Hinschauen des Verfassungsschutzes" aber sehr ernst.

Die AfD gehe entschieden gegen Mitglieder vor, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung stellten, sagte er. Man versuche, sie dazu zu bringen, die AfD aus freien Stücken zu verlassen, "das ist auch in den letzten Wochen bei einigen gelungen". Andernfalls würden Parteiordnungsverfahren eingeleitet. Die Parteispitze verwies darauf, dass am Sonntagabend die Jugendorganisation Junge Alternative in Niedersachsen aus diesem Grund aufgelöst wurde. Bereits im August war der frühere JA-Landeschef Lars Steinke abgesetzt worden, weil er den Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg in einem nicht öffentlich einsehbaren Facebook-Post als Verräter bezeichnet hatte.

In der AfD wird die "Arbeitsgruppe Verfassungsschutz" vom Vize-Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Roland Hartwig, geleitet, der dem Vernehmen nach in diesem Monat die "Handreichungen" für die Basis vorlegen will. Sie sollen den Mitgliedern erläutern, welche Formulierungen aus Sicht des Verfassungsschutzes problematisch wären. Zugleich betonte Hartwig: "Es kann nicht sein, dass der Verfassungsschutz die Aufgabe einer Sprachpolizei übernimmt." Meuthen schloss sich dem an und sagte: "Wir legen die Meinungsfreiheit sehr weit aus", allerdings dürfe auch in der AfD "nicht alles gesagt werden". Die Grundlage sei die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

In der AfD hat die Debatte über die Beobachtung durch den Verfassungsschutz bereits heftigen Streit ausgelöst. Ein Teil der Mitglieder fürchtet offenbar, von der Parteispitze durch Vorgaben beschnitten zu werden und sieht die Arbeitsgruppe mit Argwohn. Parteichef Alexander Gauland kritisierte am Montag Aussagen des Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke als falsch. Er hatte die Angst vor der Beobachtung durch den Verfassungsschutz als "politische Bettnässerei" bezeichnet.

Die Parteispitze kündigte zudem ein weiteres Gutachten des Staatsrechtlers Dietrich Murswiek an. Es solle sich mit der Frage beschäftigen, welche Auswirkungen eine Beobachtung der AfD auf Beamte und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in ihren Reihen haben könnte. Am Wochenende war bereits die Kurzfassung eines Murswiek-Gutachtens bekannt geworden, in dem der renommierte Jurist die bisherige Praxis des Verfassungsschutzes darstellte und zahlreiche Empfehlungen formulierte. So schlug er der AfD vor, auf die Verwendung bestimmter für sie typischer Begriffe oder Äußerungen zu verzichten.

© SZ vom 06.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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