Verfassungsänderung in Georgien:Das georgische Putin-Szenario

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Michail Saakaschwili bringt eine neue Verfassung auf den Weg - die wichtigste Rolle in der georgischen Regierung wird künftig der Premierminister spielen. Für dieses Amt gibt es schon einen Bewerber: Noch-Präsident Saakaschwili selbst.

Hannah Beitzer

Eigentlich sollte sie so glücklich sein, die Opposition in Georgien. Erst vor etwas mehr als einem Jahr forderten die Gegner von Präsident Michail Saakaschwili in wütenden Protesten eine Verfassungsänderung. Saakaschwili war ihnen zu mächtig, deswegen wollten sie die Kompetenzen des Präsidenten beschnitten wissen. Nun sollen sie bald tatsächlich eine neue Verfassung bekommen. Eine Kommission hat sie gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) entworfen, gerade besucht die Europäische Kommission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission) das Land und diskutiert mit Parlament und Regierung über mögliche Schwachpunkte.

Der Freund des Westens: Michail Saakaschwili erfreute sich auch bei George W. Bush größter Beliebtheit. (Foto: dpa/dpaweb)

Sicher ist: Georgien soll in Zukunft eine semipräsidentielle statt eine präsidentielle Demokratie sein. Zahlreiche der heutigen Kompetenzen des Präsidenten würden dann in den Zuständigkeitsbereich des vom Parlament gewählten Premiers fallen. Der Präsident wäre zwar immer noch direkt gewähltes Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber über das Heer und richtungsweisend in der Außenpolitik. Das aktuelle politische Tagesgeschäft läge aber beim Premier und seinen Ministern. Im Oktober soll die Änderung im Parlament beschlossen werden - Saakaschwili hat dort auch die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit.

Gar nicht schlecht, beschied nun die Venedig-Kommission des Europarats während ihres Besuchs in Georgien. Grundsätzlich weise die Verfassungsänderung in eine gute Richtung. Die Vertreter des Europarats gaben lediglich zu bedenken, dass die Zuständigkeitsbereiche von Präsident und Premierminister vor allem in der Außenpolitik klarer getrennt sein müssten als in der bisherigen Version - sonst könne es zu gegenseitigen Blockaden kommen.

Michail Saakaschwili klopft sich unterdessen selbst für sein Zugeständnis an die politischen Gegner auf die Schulter. Doch Georgiens Opposition traut ihm nicht. Aus gutem Grund: Saakaschwili hat in einem Interview mit der Zeitung Le Monde nämlich in seiner üblichen launigen Art und Weise geäußert, dass er sich auch einen Posten als Premierminister durchaus gut vorstellen könne. Seine Amtszeit als Präsident läuft noch bis 2013. Danach kann er für dieses Amt nicht mehr kandidieren, die Amtszeit eines Präsidenten ist per Verfassung auf zwei Legislaturperioden beschränkt. Eine Wiederwahl als Premierminister wäre da eine gute Alternative.

Nun haben zehn georgische Oppositionsparteien auf der Internetseite von Radio Liberty einen offenen Brief geschrieben, in dem sie auf das mögliche "Putin-Szenario" hinweisen und Saakaschwilis Pläne scharf kritisieren. Russlands ehemaliger Präsident Wladimir Putin hatte nach Ablauf seiner zweiten und verfassungsgemäß letzten Amtszeit ebenfalls das Amt des Premierministers übernommen - und regiert seitdem nach Meinung vieler Kritiker autoritär weiter. Ähnliches befürchten Saakaschwilis Gegner nun auch in Georgien.

Angetreten ist Saakaschwili 2003 als großer Hoffnungsträger der sogenannten Rosenrevolution. Gemeinsam mit seinen Weggefährten von der Vereinten Nationalen Bewegung und den Burdschanadse-Demokraten - benannt nach ihrer Anführerin Nino Burdschanadse - jagte er den russlandfreundlichen Präsidenten Eduard Schewardnadse und seine korrupte Regierung aus dem Amt und gewann mit seiner Partei die folgenden Parlamentswahlen und auch die Wahl zum Präsidenten.

Zwei Jahre nach der Rosenrevolution von 2003 erfreute sich Michail Saakaschwili (rechts) noch größter Beliebtheit - doch bald begannen die Probleme. (Foto: dpa/dpaweb)

Michail Saakaschwili versprach eine rasche Demokratisierung des Landes, eine Reform des Staatsapparats, die Bekämpfung der Korruption und eine Hinwendung des Landes nach Westen. Sein größtes Ziel war eine Aufnahme Georgiens in die Nato. Außerdem wollte er die territoriale Integrität Georgiens wiederherstellen und vor allem die abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien wieder in den Staat integrieren.

Eine von ihm durchgeführte Polizeireform verlief zunächst durchaus erfolgversprechend, zahlreiche korrupte Staatsbeamte wurden entlassen. Auch wirtschaftlich ging es mit Georgien bergauf. Inzwischen belegt das Land Platz elf auf der Liste der investitionsfreudigsten Länder.

Doch auf der anderen Seite zeigte Saakaschwili bald autoritäre Züge. Er übertrug sich unter anderem Kompetenzen des Innen- und des Verteidigungsministeriums, er kann Entscheidungen des Parlaments blockieren und er kann in Ausnahmefällen ohne die Zustimmung des Parlaments über den Staatshaushalt entscheiden. Kritiker werfen ihm die Errichtung eines Polizeistaats vor.

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Schon 2007 kam es deswegen zu Protesten der Opposition - die Michail Saakaschwili gewaltsam auflösen ließ. Er verhängte den Notstand über das Land, sah sich jedoch derart heftiger Kritik ausgesetzt, dass er vorgezogenen Präsidentschaftswahlen zustimmte. Die gewann er dann Anfang 2008, ebenso die kurz darauf folgenden Parlamentswahlen im Mai. Saakaschwilis Partei erlangte dabei 119 von 150 Sitzen.

Die Opposition sprach von systematischen Einschüchterungen, Gewalt und Wahlfälschung. Auch das Menschenrechtsbüro der OSZE kritisierte die Durchführung der Wahl als chaotisch und die Methoden der Regierung als zweifelhaft. Die Internationale Wahlbeobachtermission beurteilten die Wahlen jedoch ebenso wie die meisten Politiker westlicher Staaten als demokratisch. In Georgien war vor allem auf dem Land die Zustimmung zu Präsident Michail Saakaschwili nach wie vor groß.

Kurz darauf beging dieser aber einen folgenschweren Fehler. Im August 2008 eskalierten die anhalten Scharmützel in den abtrünnigen Provinzen Südossetien und Abchasien in einem Krieg mit Russland. Zunächst war die Weltöffentlichkeit auf Seiten Georgiens, doch nach und nach wurde klar, dass der entscheidende Schießbefehl auf die südossetische Hauptstadt Zchinwali aus Tiflis kam. Georgien fuhr eine herbe militärische Schlappe ein, musste aus den abtrünnigen Provinzen abziehen.

Saakaschwili hatte sich mit seinem unüberlegten Angriff außenpolitisch isoliert. Im Internet grassierten unwürdige Videos von ihm, wie er während des Krieges vor einer Pressekonferenz verzweifelt an seiner Krawatte kaute. Der Nato-Beitritt Georgiens ist außerdem nach dem Kaukasuskonflikt in weite Ferne gerückt.

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Im Frühjahr 2009 mündete die unzufriedene Stimmung im Land abermals in Proteste. Zahlreiche ehemalige Weggefährten Saakaschwilis hatten sich inzwischen von ihm distanziert, darunter auch die ehemalige Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse, der ehemalige UN-Botschafter Irakli Alasania und die ehemalige georgische Außenministerin Salome Surabischwili. Wochenlang belagerten Anhänger der Opposition in Zeltstädten den Regierungssitz in Tiflis.

Doch schließlich verpuffte der Widerstand. Bei den Bürgermeisterwahlen in Tiflis in diesem Jahr unterlag Irakli Alasania dem Saakaschwili-Gefolgsmann Gigi Ugulawa, der als Saakaschwilis Nachfolger im Präsidentenamt gehandelt wird. Die Opposition beklagte, dass Saakaschwili über die staatlichen Medien Einfluss nehme. Außerdem sprach sie von systematischen Einschüchterungen, Drohungen und Wahlfälschungen. Doch am Sieg des Saakaschwili-Kandidaten blieb trotzdem kein Zweifel.

Und nun zeichnet sich also auch nach Ablauf der Präsidentschaft Saakaschwilis keine Erleichterung für die Opposition ab, wenn Michail Saakaschwili dann als Premierminister zurückkehren wird. "Wir müssen alles dafür tun, dass Saakaschwili die Verfassungsänderung nicht für seine Zwecke nutzt", warnt die ehemalige Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse in der russischen Internetzeitung Gazeta.ru. Wie das gehen soll, erklärt sie nicht. Da hat Wachtang Chmaladse, Mitglied der Republikanischen Partei eine Antwort parat: "Wir sind bereit, wieder auf die Straße zu gehen", sagte er Gazeta.ru.

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