Venezuela:Pragmatismus siegt

Dass Nicolas Maduro seinen Widersacher Juan Guaidó einreisen ließ, ist noch kein Zeichen für Maduros Schwäche. Im venezolanischen Machtkampf wird entscheidend sein, wer von beiden die traditionellen Chavisten auf seine Seite zieht.

Von Boris Herrmann

Naheliegend wäre es, die triumphale Rückkehr des selbsternannten Präsidenten Juan Guaidó nach Venezuela als Zeichen der Schwäche seines Widersachers Nicolás Maduro zu deuten. Guaidó wurde am Flughafen nicht festgenommen, wie von höchster Stelle zunächst angedroht, er reiste unbehelligt als Passagier eines Linienfluges ein. Es war eine Demütigung des Regimes.

Vor allem aber zeugt es von einem neuen Pragmatismus, dass Maduro sich von Guaidó nicht provozieren ließ. Angesichts der glaubwürdigen Drohungen aus Washington und Brüssel könnte er zur Erkenntnis gelangt sein, dass es ihm mehr schadet als nützt, Guaidó in Handschellen zu legen. Für Nachrufe auf die Maduro-Ära ist es jedenfalls wohl noch zu früh.

Für die Frage, wie es im Machtkampf um Caracas weitergeht, ist jetzt entscheidend, ob auch Guaidó pragmatisch vorgeht. Er darf sich von seiner Popularität in traditionellen Oppositionsmilieus nicht blenden lassen und muss auf jene Venezolaner zugehen, die derzeit keinen der beiden Präsidenten unterstützen - traditionelle Chavisten, die sich von Maduro verraten fühlen. Falls es Guaidó gelingen sollte, diese gewichtige Bewegung ins Boot zu holen, hätte er erstens den Vorwurf entkräftet, eine rechte Putschbewegung anzuführen. Zweitens wäre Maduro dann endgültig isoliert.

© SZ vom 06.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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