Venezuela:Maduro droht die "Stunde null"

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Mit einem Generalstreik will Venezuelas Opposition den Präsidenten zum Rücktritt zwingen. Der hat jedoch immer noch einen Trumpf: die Armee.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Nichts geht mehr in Venezuela. Seit Donnerstag früh, sechs Uhr, sogar noch weniger als sonst. Straßen waren blockiert, der Verkehr stand still, Geschäfte blieben geschlossen. Eine Koalition aus etwa 20 Oppositionsparteien hat zu einem landesweiten Generalstreik aufgerufen, dem ersten seit 2002. Damals versuchten konservative Regierungsgegner vergeblich, den sozialistischen Präsidenten Hugo Chávez zu stürzen. Diesmal richtet sich der Protest gegen dessen weitaus unpopuläreren Nachfolger Nicolás Maduro, der nur noch dem Namen nach ein Sozialist ist. Auch viele treue Chávez-Anhänger haben mit ihm gebrochen. Laut Parlamentspräsident Julio Borges vom Oppositionsbündnis MUD ist der Moment gekommen, um "maximalen Druck aufzubauen".

Diesem Moment haben sie den Namen "Stunde Null" gegeben. Borges und seine Mitstreiter glauben, dass sie demokratisch legitimiert sind für nahezu jedes Druckmittel, seit sich am vergangenen Sonntag gut ein Drittel der Wahlberechtigten an einem symbolischen Referendum gegen Maduro beteiligt hatten. Über sieben Millionen Venezolaner stimmten gegen die geplante Verfassungsreform, die der Präsident ausarbeiten lassen will. Um seine Macht abzusichern und eine Diktatur zu errichten, wie viele Regierungsgegner befürchten.

Zum Aktionsplan "Stunde Null" gehört auch die sogenannte Regierung der nationalen Einheit. Anfang der Woche hatte das noch so geklungen, als wolle die Opposition tatsächlich eine Parallelregierung ausrufen. Das hätte Maduro, der von großen Teilen der Armee unterstützt wird, kaum akzeptieren können. Die Bildung eines solchen Para-Staates wäre aus Sicht des Politologen Nicmer Evans einer Bürgerkriegserklärung gleichgekommen. Scheinbar hat sich der MUD von diesem Plan nun wieder verabschiedet. Als ein Teil seiner Führungsriege am Mittwoch Details vorstellte, klang das nicht mehr nach Regierung, sondern nach Regierungskonzept - für den Fall, dass Maduro stürzt. Dabei zeigte sich erneut, dass der MUD zwar von "nationaler Einheit" spricht, aber es nicht einmal schafft, ein einheitliches Oppositionsbündnis auf die Beine zu stellen. Der zweimalige Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles, ein führender Regimegegner, fehlte demonstrativ bei der Präsentation. Er hatte zuvor schon das gesamte Stunde-Null-Programm öffentlich kritisiert.

Nicolás Maduro, 54, scheint unter diesen Umständen wenig Veranlassung zu sehen, seine Reformpläne abzusagen. Bislang lassen ihn offenbar auch die Sanktionsandrohungen aus Washington kalt. US-Präsident Donald Trump hatte diese Woche "wirtschaftliche Maßnahmen" angekündigt, falls Maduro nicht von der Verfassungsänderung abrücke. Die USA sind weiterhin der größte zahlende Abnehmer von venezolanischem Öl. Maduro berief daraufhin den Nationalen Verteidigungsrat ein. "In Venezuela machen Venezolaner die Ansagen, nicht Trump", sagte er im Staatsfernsehen. Wie diese Ansagen aussehen können, steht in einer Anordnung des Generalkommandanten der Nationalgarde, aus der die Zeitung El Nacional zitierte: Man werde hart gegen "diese verwahrlosten Ratten" vorgehen. Damit waren die Teilnehmer des Generalstreiks vom Donnerstag gemeint.

© SZ vom 21.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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