Venezuela:Ein Land, zwei Präsidenten

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Der Machtkampf zwischen Maduro und Guaido lähmt Venezuela.

Von Benedikt Peters, München

Polizisten hindern Juan Guaidó daran, das Parlament zu betreten. (Foto: Federico Parra/AFP)

Nach Monaten des Stillstands hat sich der Machtkampf in Venezuela wieder zugespitzt. Polizisten hinderten am Sonntag den bisherigen Parlamentspräsidenten Juan Guaidó daran, das Abgeordnetenhaus zu betreten, wo er sich zur Wiederwahl für das Amt stellen wollte. Drinnen wurde unterdessen Luis Parra zum Nachfolger bestimmt, der Wunschkandidat des seit Jahren despotisch regierenden Nicolás Maduro.

Seit nunmehr einem Jahr liefern sich Maduro und Guaidó einen erbitterten Kampf um die Führung in Venezuela. Das Amt des Parlamentspräsidenten ist dabei von hoher Bedeutung: Laut Verfassung darf sich sein Inhaber zum Staatschef ausrufen lassen, wenn der eigentliche Staatschef seine Macht missbraucht. So zumindest legt die Opposition um Guaidó die Verfassung aus. Der 36-Jährige hatte sich im Januar vergangenen Jahres zum Staatschef ausgerufen. Er warf Maduro unter anderem vor, Wahlen gefälscht und das Land ins Chaos geführt zu haben. In den Monaten danach war Guaidó jedoch mit dem Versuch gescheitert, auch tatsächlich die Macht zu übernehmen. Seiner Protestbewegung ging nach und nach die Luft aus. Formell ist Venezuela seitdem ein Land mit zwei Staatspräsidenten - und nun auch mit zwei Parlamentspräsidenten.

Denn während Guaidó am Sonntag versuchte, über einen Zaun zu klettern, um in das Gebäude zu gelangen, dabei jedoch von der Polizei zurückgedrängt wurde, ließ sich drinnen Luis Parra zum neuen Chef der Kammer wählen. Anwesend waren nahezu ausschließlich die Maduro-treuen Abgeordneten. Normalerweise sind sie im Parlament klar in der Minderheit. Die Oppositionellen wurden jedoch, ebenso wie ihr Chef, nicht hereingelassen. Parra gehörte ursprünglich der Opposition an. Nach Korruptionsvorwürfen wurde er aber aus einer Guaidó nahestehenden Partei ausgeschlossen. Er soll vor der Abstimmung Abgeordnete bestochen haben, damit sie ins Lager Maduros wechseln.

Die Opposition bezeichnete das Manöver als "parlamentarischen Staatsstreich" und kündigte an, Parra nicht als Vorsitzenden anzuerkennen. Stunden später hielt sie eine eigene Wahl des Parlamentspräsidenten in den Räumen einer kritischen Zeitung ab. Guaidó wurde mit großer Mehrheit im Amt bestätigt. Er kündigte an, zur nächsten Sitzung am Dienstag ins Abgeordnetenhaus gehen zu wollen. Dann könnte es wieder Tumulte geben.

Die Polizeiblockade ist nicht der erste Angriff des Autokraten Maduro auf das von der Opposition dominierte Parlament. 2017 ließ er es bereits offiziell entmachten, indem er ihm die Gesetzgebungskompetenz entzog. Stattdessen schuf Maduro eine sogenannte "Verfassungsgebende Versammlung", die seine Gesetze treu abnickt. Das Parlament tagte jedoch weiter. Guaidó enttäuschte im vergangenen Jahr die Erwartungen vieler Venezolaner, weil es ihm nie gelang, Maduro von der Staatsspitze zu vertreiben. Seit Jahren leiden die Menschen in dem ölreichen Land unter einer schweren Versorgungskrise. Sie hat dazu geführt, dass inzwischen mehr als vier Millionen Venezolaner aus dem Land geflohen sind.

© SZ vom 07.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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