V-Leute bei Geheimdiensten:Verfassungsschutz sucht den ehrlichen Verräter

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Einst wurde ein ultrarechter Spitzel fürstlich entlohnt, der später in der NPD Karriere machte. Hat der Staat damit rechtsextremes Unwesen finanziert, das er eigentlich bekämpfen wollte? Klare Vorschriften für die Auswahl von V-Leuten gibt es bis dato nicht. Nun arbeiten die Geheimdienste an einem Anforderungsprofil für Verbindungspersonen. Doch wie sieht der optimale V-Mann aus?

Susanne Höll, Berlin

Wer Vorbehalte gegen Spitzel des Geheimdienstes hegt, darf sich durch offizielle Enthüllungen bestätigt fühlen. Im Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtages zu den Hintergründen der Neonazi-Mordserie berichtete zuletzt ein Ex-Mitarbeiter des Landesverfassungsschutzes, mit welcher Nonchalance man in den Neunzigerjahren mit diesen sogenannten V-Männern umging.

Zwischen 1994 und 2001 beschäftigte man den ultrarechten späteren NPD-Funktionär Tino Brandt. Hinweise auf das Mörder-Trio Nationalsozialistischer Untergrund lieferte Brandt nicht, er gilt im Amt aber bis heute als "Spitzenquelle" und wurde fürstlich entlohnt: 200.000 Mark soll er eingesteckt haben. Kritiker sagen, so habe der Staat jenes rechtsextreme Unwesen finanziert, das er eigentlich bekämpfen wolle. Klare Vorschriften für den Umgang und die Auswahl von V-Leuten gab es damals in Thüringen nicht.

Glaubt man namhaften Sicherheitsexperten, dann hat sich dieser beklagenswerte Zustand bis heute in etlichen Ländern nicht geändert. Geheimdienstler des Bundes möchten nun ihr eigenes Regelwerk den Ländern verordnen. Ansonsten, so die berechtigte Sorge, könnte die Politik dieser verrufenen Spitzelpraxis womöglich bald ein Ende setzen.

In den Ländern herrschten andere Standards als im Bund, manchmal auch gar keine, heißt es aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Bei der Kölner Behörde dagegen gibt es Regeln für den Umgang mit V-Leuten, die der Dienst in der rechts- und linksextremen Szene und im Kreis gewaltbereiter Islamisten beschäftigt. Es sind allesamt Leute aus dem Milieu. Die Zuträger sind also fast ausnahmslos dubiose Gestalten mit zweifelhafter Gesinnung und fragwürdigen Interessen. Doch ohne diese Spitzel sei der Rechtsstaat nicht zu schützen, argumentieren die Geheimdienstler des Bundes.

"Im Einzelfall muss ich mich über diese Kriterien hinwegsetzen"

Wie sieht also der optimale V-Mann aus? Das Bundesamt in Köln wünscht sich gereifte Persönlichkeiten, die psychisch stabil sind und mit der Erkenntnis leben können, dass sie eigentlich Verräter sind. Wer, wie seinerzeit Tino Brandt, ausschließlich am Geld interessiert sei, hätte in Köln angeblich keine Chance. Die Spitzel sollen sich auskennen in ihrer Szene, aber keine Führungsposition haben und auch keinen Hang zur Wichtigtuerei.

Alkoholiker und Rauschgiftsüchtige kämen nicht infrage, Gewalttätige schieden aus, auch Straftäter. Beschäftigte des öffentlichen Diensts würden ebenfalls nicht angeworben. Pfarrer, Anwälte und Ärzte seien gleichfalls tabu, weil sie einer beruflichen Schweigepflicht unterliegen. Auch die privaten Lebensverhältnisse spielen eine Rolle. Ein Vater von sechs Kindern sei wenig geeignet, der habe daheim zu viel zu tun, heißt es. Auch junge Leute, die noch bei ihren Eltern wohnten, seien zu meiden, ebenso Leute, die einen eifersüchtigen Partner hätten, der ihnen womöglich nachspioniert.

Würden diese hehren Vorschriften ausnahmslos befolgt - in der extremen Szene fände der Verfassungsschutz wohl kaum noch einen Zuträger. Deshalb gibt es natürlich Ausnahmen von diesen Regeln. "Im Einzelfall muss ich mich über diese Kriterien hinwegsetzen", beschreibt ein Sicherheitsexperte die geheimdienstliche Realität.

© SZ vom 15.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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