USA:Lernen von Arizona

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Kyrsten Sinema aus Arizona steht rechts von den eigenen Parteidogmen. Das hat den Wählern in der politischen Mitte des Staates gut gefallen. Eine Strategie für die Präsidentschaftswahl 2020? (Foto: Rick Scuteri/AP)

Es gibt Chancen für die US-Demokraten, sofern sie die richtigen Kandidaten ins Rennen schicken. Das haben die Zwischenwahlen gezeigt - und vor allem das Beispiel der Kandidatinnen in Wüstenstaaten wie Arizona und Nevada.

Von Hubert Wetzel, Washington

Normalerweise ist die Wüste kein guter Aufenthaltsort für Menschen, die noch eine große politische Zukunft vor sich haben. Man muss schon ein wenig in biblischen Kategorien denken, um die Wüste als Raum der Prüfung, Einsicht und Erneuerung zu begreifen.

Womit man bei den US-Demokraten wäre. Die haben bei der Kongresswahl in der vergangenen Woche nicht nur die Mehrheit im Abgeordnetenhaus erobert. Auch die Sitzverluste im Senat könnten sich, wenn alle Stimmen ausgezählt sind, zumindest netto in Grenzen halten. Zwar haben die Republikaner den Demokraten drei Senatssitze weggenommen, in Indiana, Missouri und North Dakota. Doch in den Wüstenstaaten Nevada und Arizona haben sich die Demokraten revanchiert. Hier gewann die Partei mindestens einen Sitz hinzu, und so, wie es derzeit aussieht, könnte ein zweiter folgen. Das dämpft den Verlustschmerz, hält aber auch einige Lehren für die Demokraten bereit, was die künftige Ausrichtung der Partei angeht.

In Nevada gewann die frühere Kongressabgeordnete Jacky Rosen ihren Wahlkampf gegen den republikanischen Amtsinhaber Dean Heller. In Arizona sah es am Wahlabend zunächst so aus, als würde sich die Republikanerin Martha McSally durchsetzen. Doch in den vergangenen Tagen hat die Auszählung von Briefwahlzetteln der Demokratin Kyrsten Sinema einen halbwegs soliden Vorsprung beschert. Am Montag waren es um die 30 000 Stimmen, was etwa 1,5 Prozentpunkten entsprach. Die meisten Beobachter rechneten daher damit, dass Sinema gewinnen wird.

Der Sieg in Nevada war keine besonders große Überraschung. Der Bundesstaat im Südwesten tendiert schon seit Jahren zu den Demokraten hin. 2016 gewann dort die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, davor gewann zweimal Barack Obama den Staat. Zwar leben auf dem Land in Nevada viele sehr konservative Wähler. Doch die Großstadt Las Vegas, die weitgehend von der Unterhaltungs- und Tourismusindustrie lebt und viele Zuwanderer aus allen Landesteilen anzieht, dominiert die Politik in dem Bundesstaat vollkommen.

Es gibt Chancen für die Demokraten, sofern sie die Richtigen ins Rennen schicken

In Arizona sieht es etwas anders aus. Der Bundesstaat ist eigentlich solide republikanisch, seit 1952 hat dort nur ein einziger demokratischer Präsidentschaftskandidat gewonnen: Bill Clinton im Jahr 1996. Aber Arizonas Wähler sind nicht unbedingt ideologische Rechte. Das Ergebnis dort ist meistens knapp, republikanische Präsidentschaftskandidaten gewinnen in Arizona nicht - wie in West Virginia oder South Carolina - mit 30 oder mehr Prozentpunkten Vorsprung, sondern mit acht oder neun. Es gibt also Chancen für die Demokraten, sofern sie die richtigen Kandidaten ins Rennen schicken.

Die richtige Kandidatin war Kyrsten Sinema offenbar. Sinema gehört zum konservativen Flügel ihrer Partei, bei Themen wie Einwanderung und Waffenbesitz steht sie deutlich rechts von den linksliberalen Parteidogmen. Diese Positionierung in der politischen Mitte hat offenbar vielen Wählern gut gefallen.

Zudem hatte Sinema den Vorteil, dass ihre Gegnerin McSally weit nach rechts gerückt war. Der Senatssitz, um den die beiden Frauen kämpften, war nur deswegen frei, weil der bisherige Amtsinhaber, der moderate Republikaner Jeff Flake, nicht mehr antrat. Dem ausgewiesenen Kritiker von Donald Trump, der vom Präsidenten immer wieder beschimpft wurde, drohte eine Niederlage in der republikanischen Vorwahl. Diese wollte er sich ersparen.

Das Ergebnis: Ein Mitte-Republikaner räumte einen Senatssitz in einem konservativen Bundesstaat, den dann - vorausgesetzt Sinemas Stimmenvorsprung hält - eine Mitte-Demokratin eroberte, indem sie eine weiter rechts stehende Republikanerin schlug. Wenn es also um die Strategie der Demokraten bei der Präsidentschaftswahl 2020 und die Frage geht, welcher Kandidatentyp tatsächlich auf neuem Terrain gewinnen kann, können die Moderaten in der Partei nach Arizona zeigen. In der Wüste dort blüht etwas.

© SZ vom 13.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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