USA:Ein Feind eint

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Die Anschläge der jüngsten Zeit bestärken Russland und die USA darin, dass der IS nur gemeinsam zu besiegen ist. Beim G-20-Treffen in Antalya haben sich Putin und Obama 35 Minuten lang unterhalten.

Von Frank Nienhuysen, Nicolas Richter, Washington

Lange Zeit hat Stillschweigen geherrscht zwischen Barack Obama und Wladimir Putin, den Präsidenten der USA und Russlands. Nun haben sie sich beim G-20-Gipfel in Antalya 35 Minuten lang unterhalten; es war schon die zweite längere Begegnung innerhalb von zwei Monaten, und sie wirkte deutlich weniger verkrampft als die vorherige.

Das Weiße Haus teilte anschließend mit, Obamas Gespräch mit Putin sei konstruktiv gewesen. Sie seien sich darin einig, dass man in Syrien einen Waffenstillstand erzielen und den Übergang zu einer neuen Regierung einleiten müsse. Uneins sind sich beide Seiten noch immer über das Schicksal des syrischen Diktators Baschar al-Assad. Wenn es ein Thema gibt, das die USA und Russland immer wieder zusammenbringt, dann ist es der Kampf gegen den islamistischen Terror. Die Ereignisse der vergangenen Wochen zeigen, dass der sogenannte Islamische Staat (IS) gleichermaßen auf den Westen und auf Russland zielt. Denn der IS hat sich auch zum mutmaßlichen Bombenanschlag auf ein russisches Passagierflugzeug bekannt, das auf dem Weg von Ägypten nach St. Petersburg abgestürzt war.

Die Beziehungen zwischen den USA und Russland haben erheblich gelitten, seit Putin im vorigen Jahr die Krim annektieren ließ, und beide Präsidenten zeigten relativ offen, wie sehr sie einander verachten. Dennoch blieb US-Außenminister John Kerry stets im Gespräch mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow, gemeinsam handelten sie den Kompromiss im Atomstreit mit Iran aus. Aber nichts eint so sehr wie ein gemeinsamer Feind. Die Anschläge der jüngsten Zeit scheinen beide Seiten zu bestärken, dass sie den Bürgerkrieg in Syrien und den wuchernden IS-Dschihad allenfalls gemeinsam unter Kontrolle bekommen. CIA-Direktor John Brennan hob am Montag Russland als Partner ausdrücklich hervor: Trotz aller Differenzen telefoniere er regelmäßig mit dem russischen Geheimdienst, sagte er; der Austausch sei äußerst wichtig, um einer internationalen Terrororganisation wie dem IS entgegenzutreten.

Obama ist durch den Terror in Paris selber unter innenpolitischen Druck geraten. Kurz vor den Anschlägen hatte er noch erklärt, er habe den IS "eingedämmt". Das Weiße Haus stellte später klar, er habe damit nur sagen wollen, dass der IS im Irak kein Land mehr gewinne, sondern zurückgedrängt werde. Und doch wachsen in den USA die Zweifel an Obamas Strategie. Nicht nur unter den Republikanern, die sich im Wahlkampf um das Weiße Haus in Ankündigungen darin überbieten, den IS in Grund und Boden zu bomben. Michael Morell, einst Vize-Chef der CIA unter Obama, sagte über den jüngsten Terror: "Unsere Strategie, den IS zu schwächen und zu zerstören, funktioniert einfach nicht."

Wenn Washington und Moskau den IS als gemeinsamen Feind sehen, so bleibt doch ein Streit darüber, wie er geschlagen werden soll. Das fängt in Syrien an: Die USA sehen das Assad-Regime als Ursache für Bürgerkrieg und Extremismus, Russland sieht es als Bollwerk gegen die Radikalen. Moskau aber geht es nicht nur um den Kampf gegen den Terror an sich; es spürt nach den Anschlägen von Paris nun offenbar eine Chance, sich überhaupt aus der Isolation zu befreien, in die es sich mit der Krim-Annexion selber gebracht hat. Russland bietet sich international wieder als Partner an und hofft so zugleich, das Konflikt-Thema Ukraine in den Hintergrund zu drängen - und langfristig so vielleicht auf das Ende der westlichen Sanktionen einzuwirken. "Die tragischen Ereignisse in Frankreich zwingen uns dazu - und das hätten wir schon seit Langem tun müssen - , unsere Kräfte im Kampf gegen das Böse zu einen", sagte Putin auf dem G-20-Gipfel. Er bedankte sich ausdrücklich auch beim britischen Premier David Cameron, mit dem er viele Jahre ein schlechtes Verhältnis pflegte, dass Großbritannien den Russen nach dem Absturz der Passagiermaschine über dem Sinai mit Informationen aushalf.

Putin habe diesen gemeinsamen Kampf immer gewollt, erinnerte die Vorsitzende des Föderationsrats, Walentina Matwijenko, die aber gleich noch eine Spitze gegen den Westen setzte. Die internationale Koalition gegen den IS habe es mit konkreten Schritten gegen den IS nicht eilig gehabt. Vielmehr hätten die Anführer einiger westlicher Regierungen Russland "dämonisiert und als das Böse in der Welt herausgestellt". Auch sie aber betonte, dass Russland bereit sei, "alles Mögliche" für einen neuen Dialog mit den westlichen Kollegen zu tun. Demonstrativ legte Matwijenko vor der französischen Botschaft in Moskau Blumen nieder als Zeichen der Anteilnahme.

Es dürfte kein Zufall sein, dass Moskau gerade jetzt einen gemeinsamen Anti-Terror-Erfolg bekannt machte, der schon eine Weile zurückliegt. Kurz vor den Olympischen Spielen in Sotschi hätten Terroristen mit Sprengstoff in der Handcreme oder Zahnpastatube ein Flugzeug explodieren lassen wollen. Dies sei vereitelt worden, und Moskau betonte, dass westliche Staaten dem russischen Geheimdienst FSB dabei geholfen hätten - auch die USA.

Sie reden wieder miteinander: Russlands Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Barack Obama auf dem G-20-Gipfel in Antalya. (Foto: Kayhan Ozer/AFP)
© SZ vom 17.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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