USA:Der ambitionierte Mr. Pence

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US-Vizepräsident Mike Pence bei einer Veranstaltung der Republikaner in Columbus, Ohio (Foto: AP)
  • Immer wieder wird darüber spekuliert, dass US-Vizepräsident Mike Pence hofft, Donald Trump als Regierungschef ablösen zu können.
  • Pence pflegt intensive Kontakte zu republikanischen Abgeordneten wie auch zu Großspendern. Er hat ein politisches Aktionskomitee gegründet, um Geld für die Vorwahlen 2018 zu sammeln.
  • Wegen seiner erzkonservativen Haltung ist Pence bei den Hardlinern der Partei beliebt. Progressive hingegen fürchten, er wäre noch viel rigoroser als Trump.

Von Beate Wild

Loyal, diskret und zielorientiert, das ist Mike Pence. Ein fleißiger Arbeiter mit einem guten Netzwerk bei den Republikanern im Kongress. Ein Strippenzieher im Hintergrund. Einer, der schuftet, aber sich selbst nicht in den Vordergrund drängt.

Kurz: Das genaue Gegenteil seines Bosses Donald Trump.

Trump gilt als Lebemann, aufbrausend, verwöhnt, egozentrisch. Einer, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Pence dagegen ist ein echter Konservativer, ein streng gläubiger Christ, ein etwas ungelenker, aber disziplinierter Republikaner. Ganz im Dienst seiner Partei und seines Landes.

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Während Trump seine Meinung und viele Anschuldigungen einfach so in die Welt hinaustwittert, ist Pence einer, der hinter den Kulissen dafür sorgt, dass die Dinge funktionieren. Der also über eine Eigenschaft verfügt, die durchaus präsidial zu nennen ist. Fühlt sich so einer nicht zu Höherem berufen? Spätestens seit der Russland-Skandal Trump zu schaffen macht, wird viel darüber spekuliert.

Abendessen mit Großspendern

Bevor der heute 58-Jährige Vizepräsident wurde, war er Gouverneur von Indiana. Das heißt, er hat Trump in Sachen Regierungserfahrung einiges voraus. Vor seiner Zeit als Gouverneur war der Republikaner Kongressabgeordneter. Deshalb verfügt Pence über so gute Kontakte zum Repräsentantenhaus. Heute noch geht er einmal die Woche mit seinen ehemaligen Kollegen Mittagessen. Von derart guten Beziehungen zum Kapitol kann Trump nur träumen.

Viel Zeit verbringt Pence in jüngster Zeit damit, die Kontakte zu republikanischen Großspendern zu pflegen. In der Residenz des Vizepräsidenten im Naval Observatory veranstaltet er kleine, private Abendessen für Bankmanager, Industriemagnaten, Lobbyisten und konservative Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, wie die New York Times berichtet. Viele dieser Veranstaltungen tauchen in Pence' offiziellem Terminkalender nicht auf. Teilnehmerlisten will das Weiße Haus nicht veröffentlichen. Es seien schließlich keine Regierungstermine.

Ganz offensichtlich versucht Pence hier, sich mit den Unterstützern der Partei gutzustellen. Ein exzellentes Verhältnis ist schließlich wichtig, um sich auch in Zukunft die großzügigen Spenden der Gönner zu sichern. Im politischen Geschäft ist das nichts Neues. Die Frage, die sich viele politische Beobachter nun aber stellen: Unternimmt Pence diese Anstrengungen schon für die Wiederwahl von Trump/Pence in 2020? Oder macht er das etwa für sich selbst?

Die intimen Kontakte mit reichen Spendern und mächtigen Konservativen "haben Spekulationen unter republikanischen Insidern Auftrieb gegeben, dass er sich ein Fundament für seine eigene politische Zukunft schaffen will, unabhängig von Herrn Trump", schreibt jedenfalls die New York Times.

Als Vizepräsident wird von ihm zwar erwartet, dass er treu zum Präsidenten steht. Doch es wäre kaum verwunderlich, würde er angesichts der Russland-Ermittlungen und den jüngsten Skandalen versuchen, Distanz zwischen sich und Trump zu bringen. Oder ist es gar so, dass Pence schon mit einer Amtsenthebung von Trump rechnet und sich selbst für die Machtübernahme in Stellung bringt?

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Das sind natürlich bislang nur Spekulationen. Diese machen in den US-Medien allerdings immer wieder die Runde. Und zugeben würde Pence ein derartiges Vorhaben nie im Leben. Zudem ist die Entfernung von Trump aus dem höchsten Amt der USA momentan noch unvorstellbar, auch wenn wegen der Russland-Ermittlungen die Demokraten immer lauter eine Amtsenthebung fordern.

Dass Pence sich gerade auf seine eigene politische Zukunft vorbereitet, dafür gibt es aber noch ein weiteres Indiz. Bereits im Mai, einige Tage, nachdem Trump FBI-Direktor James Comey feuerte, gründete Pence ein eigenes PAC, ein politisches Aktionskomitee, mit dem Namen "Great America Committee". Damit sollen Spenden im großen Stil generiert werden. Der Schritt sorgte in Washington für Verwunderung. Es sei das erste Mal in der Geschichte, dass ein amtierender Vizepräsident einen eigenen politischen Arm etabliere, berichtete NBC News.

Offiziell soll das mit dem PAC eingesammelte Geld dazu dienen, republikanische Kandidaten für die Zwischenwahlen 2018 zu unterstützen. Doch sollte sich Pence beispielsweise 2020 dazu entschließen, als Präsidentschaftskandidat anzutreten, weil Trump nicht mehr im Amt ist oder nicht mehr für eine zweite Amtszeit kandidieren will, wäre ein solches PAC nicht von Nachteil.

Pence muss jetzt allerdings aufpassen, dass der Russland-Skandal nicht auch ihn beschädigt - wenn auch nur indirekt. Als Donald Trump Jr. kürzlich zugab, dass er und andere aus dem Wahlkampfteam sich im vergangenen Jahr mit einer russischen Anwältin getroffen haben, um schmutzige Details über Hillary Clinton zu erfahren, distanzierte sich Pence deshalb schnell von dem schwelenden Skandal. Sein Büro teilte mit, er sei nicht fokussiert auf Geschichten, die stattfanden, bevor er überhaupt zu Trumps Vizepräsidentschaftskandidaten ernannt wurde.

Pence will den gleichen Fehler ganz sicher nicht zweimal machen. Denn als noch vor Amtsantritt Trumps Gerüchte laut wurden, Michael Flynn hätte Kontakte zum russischen Botschafter gehabt, sprang Pence dem designierten Sicherheitsberater bei und beteuerte öffentlich dessen Unschuld. Wie man heute weiß, zu Unrecht. Ein Lapsus, der nicht noch einmal passieren darf, wenn Pence seine Glaubwürdigkeit nicht verlieren und eine politische Zukunft haben will.

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Stellt sich die Frage, ob Pence der bessere Präsident wäre. So mancher Republikaner würde ihn wegen seiner erzkonservativen Haltung dem unberechenbaren Trump vorziehen, auch wenn sich im Moment keiner traue, das offen zuzugeben, schreibt die Nachrichtenseite Axios. Wenn die republikanischen Abgeordneten in Washington einen von beiden aussuchen könnten, würde Pence derzeit wohl mit 90 Prozent gewinnen, so die Schätzung.

Progressive warnen vor Pence

Entscheidend könnte diese Stimmung im Kongress dann werden, sollte es tatsächlich zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen Trump kommen. Bill Clinton überstand seines damals nur, weil er unter den Volksvertretern seiner Partei eine große Fangemeinde hatte. Trump kann das nicht unbedingt von sich behaupten.

Bei den US-Bürgern kommt Pence jedoch nicht so gut an wie bei seinen Parteikollegen. In einer aktuellen Umfrage von Rasmussen glaubten nur 26 Prozent der Wähler, er würde einen besseren Job machen als Trump.

Progressive warnen sogar vor einem Präsidenten Pence. Sie fürchten, dass er etwa bei Themen wie Abtreibung oder LGBT-Rechten aufgrund seiner christlichen Überzeugungen noch viel rigoroser vorgehen würde als Trump. Als im März bekannt wurde, dass Pence nicht mit einer anderen Frau essen geht, wenn nicht seine Ehefrau dabei ist, sahen viele Demokraten ihr Bild des Vizepräsidenten bestätigt. Eine derart rigorose Trennung der Geschlechter verfolgen nur religiöse Hardliner.

Doch alleine schon wegen des Alters seines Vorgesetzten dürfte Pence sich zumindest Gedanken über eine Kandidatur 2020 machen. Trump wäre dann 74, er selbst erst 61 Jahre alt. Bestes Präsidentenalter.

Parallelen zu Nixon

Und sollte Trump das Weiße Haus tatsächlich vorher verlassen müssen, wäre Pence der zehnte Vizepräsident, der ins Präsidentenamt rutscht, ohne sich im Wahlkampf für diese Position beworben zu haben. Und er wäre der erste Vize, der zur Nummer eins aufsteigt, seit Gerald Ford 1974 das Amt von Richard Nixon in Folge des Watergate-Skandals übernahm. Da ist er wieder, der Vergleich mit Nixon, den Demokraten und Trump-Gegner in diesen Tagen so gerne ziehen.

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