USA:Angst vor russischer Propaganda

Lesezeit: 3 min

  • Facebook findet mehrere verdächtige Fake-Accounts in den USA.
  • Verantwortliche lassen laut New York Times durchblicken, dass sie an der russischen Urheberschaft der Fake-Accounts kaum Zweifel hätten.
  • Die Sorge vor der Einflussnahme auf die Kongresswahlen wächst.

Von Alan Cassidy, Washington

Der nächste Anlass war in der Hauptstadt geplant, in Sichtweite des Weißen Hauses: eine Demo gegen Rechtsextreme. "Resisters" heißt die Facebookseite, die für Mitte August zum Protest aufgerufen hatte. 2600 Personen waren interessiert. Nun hat das soziale Netzwerk die Seite gelöscht. Sie stellte sich als Fälschung heraus, wie auch 31 andere Seiten und Gruppen bei Facebook und der Fotoplattform Instagram. Insgesamt wurden mehr als 9500 Einträge erstellt und 30 Anlässe beworben, 290 000 andere Facebook-Konten waren darauf abonniert, wie das Unternehmen am Dienstag publik machte.

Die Fake-Seiten bewirtschafteten vor allem Themen, wie sie Amerikas Linke umtreiben: Widerstand gegen Präsident Donald Trump, Widerstand gegen die Einwanderungsbehörde ICE, Widerstand gegen Rassismus. Themen also, bei denen die Urheber der Seiten bestehende gesellschaftliche Spannungen im Land aufgreifen und verstärken konnten. Die Konten wurden nach Angaben von Facebook zwischen März 2017 und Mai 2018 eingerichtet. Um ihre Beiträge und Veranstaltungshinweise zu bewerben, schalteten die Urheber Anzeigen im Wert von 11 000 Dollar.

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Um wen es sich bei diesen Urhebern handelt, kann Facebook laut eigenen Angaben nicht mit Bestimmtheit sagen. Die Verantwortlichen für Cybersicherheit wiesen darauf hin, dass es Verbindungen gibt zur russischen Trollfabrik "Internet Research Agency", die mit ähnlichen Methoden in den US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 eingegriffen hatte. Während sich damals jedoch die Verwendung von russischen IP-Adressen nachweisen ließ, fehlen diese Spuren. Laut Facebook verwandten die Urheber der Seiten große Mühe darauf, ihre Identität zu verschleiern, indem sie etwa VPN-Dienste benutzten und den Kauf von Anzeigen über Drittparteien abwickelten.

Trotz der Bedrohung haben die Republikaner wenig dafür getan, um sich zu schützen

Für Sicherheitsexperten sind die Fälschungen Teil einer Desinformationskampagne, die sich für die Hintermänner in jedem Fall lohne. "Bleiben die Aktionen unentdeckt, lässt sich damit Zwiespalt säen. Fliegen sie auf, beginnen die Leute damit, auch legitime politische Proteste infrage zu stellen", sagte Graham Brookie vom Thinktank Atlantic Council bei NBC News. Seine Organisation arbeitet mit Facebook seit Mai daran, Fake-Accounts auf dem Netzwerk zu enttarnen. Für den Schritt an die Öffentlichkeit erhielt Facebook in den USA Lob - er unterstreicht aber auch, wie sehr der Konzern immer noch mit gefälschten Inhalten kämpft. Ein Problem ist das auch angesichts der Tatsache, dass rund die Hälfte der Amerikaner ihre Nachrichten primär über Facebook bezieht.

Der Fall ist eines von mehreren Indizien, wonach verdeckte Operationen auf das politische System der USA anhalten und im Hinblick auf die Zwischenwahlen im Herbst zunehmen könnten. Gegenüber Kongressabgeordneten ließen Facebook-Verantwortliche laut New York Times durchblicken, dass sie an der russischen Urheberschaft der Fake-Accounts kaum Zweifel hätten. Die demokratische Senatorin Claire McCaskill bestätigte vor einigen Tagen einen Bericht der Website Daily Beast, wonach ihre Kampagne vergangenes Jahr Ziel eines russischen Hackerangriffs geworden sei.

Der Geheimdienstausschuss des Senats befasste sich am Mittwoch in einer schon länger geplanten Anhörung mit den Facebook-Fälschungen. Diese seien ein Beleg dafür, dass der Kreml soziale Netzwerke dazu benutze, um Spaltungen in Amerika mit gezielten Kampagnen zu vertiefen, sagte der demokratische Senator Mark Warner. "Die Russen wollen ein schwaches Amerika", sagte Richard Burr, der republikanische Vorsitzende des Senatsausschusses. Die Warnung vor russischen Manipulationsversuchen steht allerdings schon seit Monaten im Raum - nicht nur, was Desinformationskampagnen betrifft, sondern auch Angriffe auf die politische Infrastruktur, auf Wahlregister und Zählmaschinen. In den föderalistisch strukturierten USA sind Wahlen Angelegenheit der einzelnen Gliedstaaten, einheitliche Sicherheitsstandards gibt es kaum. Bereits im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2016 waren 21 Bundesstaaten Ziel von Hackerangriffen geworden, die US-Geheimdienste auf Russland zurückgeführt hatten. In Illinois gelang es den Hackern dabei, an Wählerdaten heranzukommen.

Trotz dieser Bedrohung haben Trump und seine Partei wenig dafür getan, Vorkehrungen zu treffen. Vor zwei Wochen lehnten die Republikaner im Repräsentantenhaus einen Vorstoß der Demokraten ab, der 380 Millionen Dollar für Sicherheitsmaßnahmen vorgesehen hatte. Die wahre Bedrohung für die Wahlen sei eine andere, sagte der republikanische Abgeordnete Jim Jordan: die fehlende Ausweispflicht für Wähler. Es ist ein altes Thema der Partei, über das Kritiker sagen, es gehe den Republikanern darum, die Wahlbeteiligung bei Minderheiten zu senken. Am Dienstag nahm es Trump an einer Wahlkampfveranstaltung in Florida nochmals auf: Es brauche jetzt eine Ausweispflicht. Zu den Fake-Accounts sagte er nichts.

© SZ vom 02.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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