US-Wahlkampf:Neu-Populistin

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Jahrelang hat sie die Interessen der Finanzindustrie vertreten - nun rückt Hillary Clinton deutlich nach links.

Von Matthias Kolb, München

Die Kulisse ist perfekt, die Kandidatin locker und die Kritik eindeutig: Bei ihrem ersten Wahlkampfauftritt hat sich Hillary Clinton als Anwältin all jener Amerikaner präsentiert, die nur mit mehreren Jobs alle Rechnungen bezahlen können. "Wohlstand ist nicht nur etwas für Konzernchefs und Hedgefonds-Manager. Die Demokratie darf nicht nur Milliardären und Firmen nutzen", sagte sie am Samstag vor 5500 Anhängern in New York.

Die 67-Jährige gibt sich nicht als erfahrene Diplomatin, sondern als wütende Populistin. Sie schimpft darüber, dass sich Millionen junge Amerikaner verschulden müssen, um studieren zu können. Sie beklagt, dass im US-Steuerrecht Krankenschwestern einen höheren Anteil ihres Gehalts an den Staat zahlen müssen als Manager.

Es sind genau die Themen, für die linke Demokraten wie die Senatoren Elizabeth Warren oder Bernie Sanders seit Monaten Lösungen fordern. Clinton verspricht zudem, sich als Präsidentin von 2017 an für mehr Klimaschutz einzusetzen, die Rechte von Homosexuellen zu stärken und "gesetzestreuen Einwanderern" den Weg zur Staatsbürgerschaft zu ermöglichen.

Hier zeichnet sich eine Strategie ab: Der Ex-Außenministerin geht es nicht darum, konservative Wähler von sich zu überzeugen. Sie setzt vielmehr darauf, mit den Stimmen der Obama-Koalition aus Jungen, Schwarzen, Latinos sowie Akademikerinnen ins Weiße Haus zu kommen.

Clinton fordert, die Geschäfte der Wall-Street-Banken strenger zu regulieren. Viele Demokraten bezweifeln jedoch, dass sie es mit der Umsetzung ernst meint, denn schließlich hat sie als New Yorker Senatorin jahrelang die Interessen der Finanzindustrie vertreten. Um diese Kritik zu entkräften, gibt sich Clinton als Kämpferin für die Schwachen, die etwa nach dem Jura-Studium bei einer Organisation für Kinderrechte gearbeitet hatte. Mehrmals in ihrer Rede erzählt sie von ihrer Mutter Dorothy Rodham. Diese sei früh auf sich allein gestellt gewesen, weil sich weder Eltern noch Großeltern um sie kümmern wollten. "Mom hat hart gearbeitet und mir gezeigt, dass keine Hürde zu groß ist", sagte Clinton. Ihre Mutter habe stets an das Gute im Menschen geglaubt - und dieses Selbstvertrauen wolle sie ihrem Land zurückgeben.

Den größten Jubel erntet Hillary Clinton allerdings, als sie Kritik an ihrem Alter mit dem Spruch kontert: "Ich werde die jüngste Präsidentin in der Geschichte der USA sein."

© SZ vom 15.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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