US-Wahlkampf:Er gegen sich

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Donald Trump ist unverbesserlich. Jeder Hauch von Seriosität wird vom wüsten Verbal-Schläger zerstört. Für Gegnerin Hillary Clinton ist dieser Verbal-Amok ein Segen. Sie muss die Nerven behalten, selbst wenn Trump indirekt zu ihrer Ermordung aufruft.

Von Hubert Wetzel

Am Montag hielt Donald Trump eine Rede über seine Wirtschafts- und Steuerpolitik. Man kann über den Inhalt denken, was man mag, aber es war immerhin eine Rede: eine Abfolge von vollständigen Sätzen, die sich inhaltlich aufeinander bezogen und zusammengenommen nachvollziehbare Aussagen ergaben, korrekt abgelesen vom Teleprompter, ohne Abschweifungen und Beleidigungen. Dass der republikanische Präsidentschaftskandidat dazu fähig ist, löste im Trump-Lager viel mehr Begeisterung aus als der Inhalt der Rede - endlich, endlich benimmt sich Donald Trump wie ein echter Kandidat. Von einem Neustart der Kampagne war die Rede und davon, dass Hillary Clinton jetzt einpacken könne.

Am Dienstag war Donald Trump dann wieder Donald Trump. Bei einem Wahlkampfauftritt brabbelte er etwas darüber, dass die "Second-Amendment-Leute" vielleicht etwas tun könnten, wenn Clinton Präsidentin würde, "ich weiß auch nicht". Die Entrüstung ist jetzt groß, Trumps Gegner unterstellen ihm, zu einem Mordanschlag auf Hillary Clinton aufgerufen zu haben. Das Second Amendment, der zweite Zusatzartikel zur US-Verfassung regelt das Recht auf Waffenbesitz. Einige "Second-Amendment-Leute" sind recht militant.

Donald Trump richtet sich selbst, Hillary Clinton kann zuschauen

Trump ist mit dieser Art des Provokationswahlkampfs ziemlich weit gekommen. Und es gab bei den Demokraten durchaus die Befürchtung, der Republikaner könnte Clinton mit einer seiner unverschämten Bemerkungen so irritieren, dass sie falsch reagiert, in Tränen ausbricht, hysterisch herumschreit - also irgendetwas tut, was gerade eine Frau auf gar keinen Fall tun darf. Das kann noch passieren. Aber wer sich ansieht, mit welch stählerner Disziplin Clinton ihren Wahlkampf bisher betreibt, würde nicht darauf wetten.

Auch die Angst, es könnten alte Clinton-Skandale wieder auftauchen, neue inkriminierende E-Mails oder weitere sechsstellige Honorare von Wall-Street-Banken, die Trump ausschlachtet, dürfte bei den Demokraten abgeebbt sein. Denn selbst wenn - der Republikaner produziert einen so verlässlichen Strom von Absurditäten und Rüpeleien, dass alles, was Clinton wehtun könnte, binnen 24 Stunden wieder aus den Nachrichten verschwunden ist. Für Clinton ist Trump eine Art unfreiwilliger Leibwächter: Er fängt die Kugeln ab, sogar solche, die er selbst verschossen hat.

Im Grunde muss Clinton also gar nicht viel machen, außer Trump Trump sein zu lassen. Dessen rapide fallende Umfragewerte belegen ja: Es mag noch immer einen harten Kern von Trump-Fans geben, die es mutig oder auch nur amüsant finden, wenn ihr Kandidat auf das Establishment und Clinton richtig draufhaut. Doch um zu gewinnen, braucht Trump mehr und andere Wähler als nur diese Leute. Er braucht auch einen erklecklichen Teil moderater Republikaner und rechter Demokraten, die Clinton zwar misstrauen, denen aber das geifernde "Sperrt sie ein"-Gebrüll der Trumpisten auf die Nerven geht.

Diese Leute wollen den Trump vom Montag sehen: Einen seriösen Kandidaten, der sich im Griff hat und ausformulierte politische Ideen präsentiert. Der Trump vom Dienstag, der seiner Gegnerin mit einem Rollkommando droht, stößt auch sie ab und löst Furcht aus.

Es spricht wenig dafür, dass Trumps Ausfälle geplant sind. Zu welchem Nutzen auch? Eher ist es so: Der Kandidat kann einfach nicht anders. Trump ist schlicht nicht in der Lage, seine Worte so zu kontrollieren, wie es in einem Wahlkampf notwendig ist. Das hat ihm im Vorwahlkampf geholfen. Doch was damals Trumps größter Vorteil war - seine Unberechenbarkeit und Rücksichtslosigkeit -, ist heute zu seinem größten Nachteil geworden. Nach jetzigem Stand kann Hillary Clinton schon mal neue Tapeten für das Weiße Haus aussuchen.

© SZ vom 11.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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