US-Wahl:Klimawandel - wie ein Mega-Thema in den USA untergeht

Was tun gegen die Erderwärmung? Die vielleicht wichtigste Frage des 21. Jahrhunderts spielt im US-Wahlkampf kaum eine Rolle. Dabei sind die Folgen an den Küsten längst zu spüren.

Von Johannes Kuhn, Terrebonne Parish

Theresa Dardar steht auf dem Balkon und beobachtet, wie ihr Land im Meer versinkt. "Wo in meiner Kindheit Kühe gegrast haben, fahren wir heute mit dem Boot", erzählt die 62-Jährige. "Wir konnten dabei zusehen, wie es passiert." Sie zeigt hinaus aufs offene Wasser: "Das hier war früher ein See. Jetzt ist es Meer."

Alle 43 Minuten verliert Louisiana, der Bundesstaat im tiefen Süden der USA, Land in der Größe eines American-Football-Feldes. Das sind 65 Quadratkilometer jedes Jahr. Trotzdem zweifelt jeder fünfte US-Amerikaner am Klimawandel oder hält ihn sogar für eine Erfindung. Unter ihnen: Donald Trump, Präsidentschaftskandidat der Republikaner. Dabei ist an der Golfküste im Süden Louisianas längst zu erleben, wie sich das Meer immer weiter in das Festland hineinfrisst.

"Wer sagt, dass es keinen Klimawandel gibt, der soll mal hier runter kommen", sagt Dardar.

Die Region Terrebonne Parish, wo Dardar lebt, ist ein Mosaik aus Marschland, Sumpf und Wasserflächen. An der Küste lebten schon zur Zeit der französischen Kolonialisierung Ureinwohner, weitere Stämme wurden später hierher vertrieben. Viele Menschen leben in und von der Natur, sie sind abhängig vom Fischfang und davon, dass es das Wetter gut mit ihnen meint. Andrew, Rita, Katrina: Wie Wegmarken ragen die Namen der Hurrikane, die diesen Landstrich immer wieder verwüsteten, aus der Vergangenheit - und weisen in eine düstere Zukunft.

Dabei spielen schon weniger starke Stürme eine Rolle in der Entwicklung, die vor einigen Jahren begonnen hat: "Es verschwinden Inseln, die eigentlich die hohen Wellen vor der Küste brechen", erzählt Dardar. Immer wieder treibt der Südwind aus dem Golf inzwischen Wasser in die Hinterhöfe und Gärten der Häuser auf ihren hölzernen Pfählen. Der Meeresspiegel steigt, Überflutungen nehmen zu, das Land erodiert und der Boden versinkt noch schneller, als er es ohnehin immer schon getan hat.

Symbole für die Ursache dieser Entwicklung ragen einige Kilometer weiter südlich aus dem Meer: Wie Perlen auf einer Kette aneinandergereiht stehen dort die Bohrplattformen, eingerammt in immer tiefere Gewässer. Das hier aus der Erde geförderte Öl wird verbrannt und heizt die Atmosphäre auf, das Schmelzwasser der Pole überschwemmt die Küste. Der Prozess wirkt auf jene Orte zurück, wo er begonnen hat.

45 Prozent der US-Bürger sind inzwischen besorgt oder gar alarmiert über den Klimawandel, so eine Online-Umfrage im Auftrag des "Climate Communication"-Projekts der Universität Yale vom März. Von Jahr zu Jahr werden es inzwischen mehr Menschen, doch die Veränderung ist schon lange spürbar: 15 der 16 heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen wurden seit der Jahrtausendwende registriert, auch diesen Sommer gab es allerorten Temperaturrekorde.

Zunehmende Starkregenfälle im Süden wegen der stärkeren Verdunstung des sich erwärmenden Wassers aus dem Golf, ungewöhnlich lange Trockenphasen in westlichen Bundesstaaten wie Arizona und Kalifornien, schmelzende Gletscher von den Rocky Mountains bis Alaska, regelmäßige Überflutungen in Küstenstädten wie Houston oder Miami Beach - all diese Entwicklungen hängen mit dem Ausstoß von Treibhausgasen in die Atmosphäre zusammen. Und die USA sind weiterhin der zweitgrößte CO₂-Emittent der Welt: 16 Prozent der globalen Emissionen gehen auf die Amerikaner zurück.

Doch manche Gruppen in den USA verweigern sich dem sonst wachsenden Konsens über Ursachen und Folgen des Klimawandels: Während eine überwältigende Mehrheit der Demokraten davon ausgeht, dass der Mensch die Erderwärmung verursacht, ist laut einer PEW-Umfrage jeder zweite Republikaner der Meinung, dass natürliche Klimamuster dafür verantwortlich sind. Unter konservativen Republikanern glauben nur mickrige 15 Prozent an eine Verantwortung des Menschen - und damit auch daran, dass der CO₂-Ausstoß gesenkt werden müsste.

Robert Brulle, Umweltsoziologe von der Drexel University in Philadelphia, forscht über organisierten Klima-Lobbyismus: "Ende der Siebziger bildete sich der wissenschaftliche Konsens, dass die Erde sich erwärmt. 1988 wurde der Weltklimarat gegründet. Ein Jahr später entstand als Reaktion darauf die 'Global Climate Coalition'", ein Interessensverband der Mineralöl- und Automobilkonzerne.

Mit ihm "tauchten in der Debatte plötzlich wie aus dem Nichts Zweifel an der Erderwärmung auf", erzählt Brulle. Die Lobbygruppe erreichte, dass die USA später das Klimaprotokoll von Kyoto nicht ratifizierten. Die Gruppe wurde aufgelöst, doch die Lobbyarbeit der fossilen Energiebranche geht in Organisationen wie "Vote 4 Energy" (Slogan: "Ich bin ein Energie-Wähler") weiter. "Sie verändern die Botschaft, je nach Lage: Mal gibt es den Klimawandel nicht, dann ist er nicht vom Menschen ausgelöst oder es ist zu teuer, um ihn anzugehen."

Spenden-Analysen der Organisation "Inside Climate News" zufolge flossen von 2015 bis Mitte 2016 etwa 37 Millionen Dollar direkt in die Wahlkampagnen republikanischer Politiker - das ist zehn Mal so viel, wie Demokraten erhielten. Das schwer nachverfolgbare Geld für die "Super Pac" genannten Unterstützergruppen ist in dieser Summe nicht enthalten.

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