Unruhen in Thailand:Bis die Regierung stürzt

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Rothemden gegen Gelbhemden: Thailand kommt nicht zur Ruhe. Nun hat die Opposition erzwungen, dass ihr Fernsehprogramm wieder auf Sendung geht - ein wichtiger Sieg.

Tobias Matern, Pathum Thani

Sie haben alle dasselbe Ziel. Ihr Weg führt hinaus aus Bangkok, über die Schnellstraße, vorbei an den Reisfeldern, auf denen Männer und Frauen ihre Arbeit kurz unterbrechen, aufschauen und der vorbeiziehenden Kolonne zuwinken. Mit kleinen Trucks, die Ladefläche voller Menschen jeden Alters, auch auf Mopeds und Fahrrädern sind die Demonstranten unterwegs nach Pathum Thani.

Alle tragen Rot: Hosen, Kappen, T-Shirts, Fahnen. Dazu eine Rassel, die sie zur Not noch für umgerechnet 35 Cent am Straßenrand kaufen könnten. Die Opposition ist bestens organisiert. Auf den verstopften Zubringerstraßen leiten ihre Ordner den Verkehr um. Sie arbeiten mit Polizisten zusammen. Es gibt Wasserflaschen für die Regierungskritiker, Händler verkaufen Eis und scharf gewürzte Nudeln mit Nüssen.

Rothemden gegen Gelbhemden

Der Konflikt zwischen Opposition und Regierung in Thailand - Rothemden gegen Gelbhemden - hat sich nochmal verschärft. Vier Wochen dauert er schon. Am Freitag versammelten sich gut zehntausend Demonstranten in Pathum Thani vor einem Gebäude des Satellitenfernseh-Betreibers Thaicom. Es liegt 30 Kilometer nordöstlich der thailändischen Hauptstadt. Hinter den Büros stehen ein halbes Dutzend riesengroße Empfangsschüsseln. Das Gelände ist scharf bewacht - von Soldaten und Polizisten in voller Ausrüstung.

Die Anhänger des 2006 vom Militär gestürzten Premierministers Thaksin Shinawatra sind wütend, dass die Regierung am Tag zuvor ihren zentralen Sender abgeschaltet hat. Aus Sicht der Führung um Premierminister Abhisit Vejjajiva ist es ein Propaganda-Kanal, der Lügen verbreitet. Die Demonstranten wollen beim Betreiber bewirken, dass er ihr Programm wieder laufen lässt. Deshalb sind sie hier.

Gegen die Diktatur

Aber es soll nur ein erster Schritt sein. Ihr erklärtes Ziel ist es, die Regierung zu stürzen und Neuwahlen in Thailand abzuhalten. "Abhisit und seine Leute versuchen, uns unsere Stimme zu nehmen", sagt ein Mann, der sich mit seinem Spitznamen Joe vorstellt. "Wir brauchen mehr Freiheiten, dafür demonstrieren wir", erklärt der Textilhändler, der die jetzige Regierung als "Diktatur" bezeichnet. Thaksin sei einzigartig gewesen, er oder jemand von seiner Statur müsse wieder an die Macht, um der verarmten Landbevölkerung zu helfen.

Dabei hatte der frühere Premier während seiner Amtszeit nicht nur populäre Programme für die Bedürftigen aufgelegt, sondern offenbar auch überaus ungeniert in die eigene Tasche gewirtschaftet. Der Strafverfolgung entging er nur durch den Gang ins Exil, kürzlich konfiszierte ein Gericht einen Großteil seines Vermögens. Trotzdem ist er allgegenwärtig während der Proteste: Sein Konterfei ist nicht nur auf zahlreichen roten Hemden zu sehen, er stachelt seine Anhänger auch mit Ton- und Videobotschaften an.

Seit Thaksins Sturz vor vier Jahren ist Thailand in einer politischen Dauerkrise. Seine Anhänger demonstrieren, wenn - wie jetzt - die Gelbhemden regieren. Und umgekehrt gehen die Gelben auf die Straße, wenn die Roten das Sagen in Bangkok haben.

Politische Dauerkrise

Vor der Thaicom-Station stehen sich die Sicherheitskräfte und Demonstranten am Nachmittag gegenüber. Keine der beiden Seiten weicht, es kommt zu Zusammenstößen. Die Polizei setzt Tränengas gegen die Rothemden ein - zum ersten Mal seit Beginn der Proteste. Auch Gummigeschosse feuert sie ab. Nach Medienberichten vom Abend werden mindestens 14 Menschen verletzt.

Das Tränengas setzt nicht nur den Demonstranten, sondern auch etlichen Sicherheitskräften zu. Sie reiben sich die geröteten Augen. Die Soldaten treiben den Kampf nicht bis zum Äußersten, offenbar haben sie keinen entsprechenden Befehl. Im Gegenteil. Sie ziehen sich vor der Menschenmasse zurück. Ihre Ausrüstung lassen sie zum Teil stehen, die Demonstranten kapern einen Wasserwerfer und andere Fahrzeuge der Armee.

Die Regierung hat als Reaktion auf die Dauerproteste den Notstand über Bangkok und einige weitere Provinzen verhängt. Eigentlich dürfte die Demo vor der Fernsehstation also gar nicht stattfinden. Ansammlungen von fünf oder mehr Menschen darf die Polizei auflösen. Aber in Pathum Thani kapituliert sie. Nach und nach gibt sie ihren Widerstand auf, dabei hatte die Regierung am Morgen noch angekündigt, mit harter Hand einzugreifen, sollte weiter protestiert werden. Auch soll mehr als einem Dutzend Anführern der Rothemden der Prozess gemacht werden.

Dauerhafter Belagerungszustand

Hinter dem Thaicom-Gebäude suchen die Soldaten Schutz, allerdings weniger vor den Demonstranten als vor der Hitze. Sie sitzen im Schatten. Ein paar von ihnen sind wegen der Temperaturen zusammengebrochen. Die meisten Uniformträger schauen alles andere als aggressiv aus: Sie rauchen, telefonieren oder ruhen sich aus. Die Demonstranten räumen zur gleichen Zeit ein Fahrzeug der Armee aus, Gewehre und Munition stellen sie ordentlich vor der Satelliten-Station auf, damit die Kameras das gut einfangen können. Einige Rothemden gehen auch in den Sender hinein - sie randalieren aber nicht, sondern belagern ihn. Am Abend, heißt es, geht ihr Programm wieder auf Sendung. Das ist ein Erfolg für die Protestbewegung. Sie feiert ausgelassen.

Die luxuriösen Einkaufszentren in Bangkok, in denen zahlungskräftige Thais so gerne einkaufen, belagern die Rothemden am Abend aber weiterhin. Die Sicherheitskräfte schreiten auch hier nicht ein. Die Anführer halten Reden. Sie sprechen davon, weiterkämpfen zu wollen - bis die Regierung gestürzt ist.

© SZ vom 10.4.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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