Union: Konservatismus-Debatte:Ein Lebensgefühl namens Guttenberg

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"Fast perfekte Antihaft-Beschichtung": Viele in der Union setzen ihre Hoffnungen auf Verteidigungsminister Guttenberg, wenn es darum geht, Konservative zu binden. Er gilt als prinzipientreu - warum auch immer.

Stefan Braun

Günther Beckstein ist nicht mehr ganz vorn in der ersten politischen Reihe. Trotzdem dürfte dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten kaum jemand absprechen, dass er ein gutes Gespür dafür hat, welche Stimmung herrscht bei den Leuten. So gesehen hat der CSU-Politiker am Dienstag ein bemerkenswertes Interview gegeben. Er hat im Deutschlandfunk nicht nur beschrieben, dass es ziemlich viele Anhänger der Union gebe, denen das Konservative zunehmend fehle. Er hat außerdem gesagt, dass es dabei in erster Linie um ein Lebensgefühl gehe. Und er hat neben Volker Kauder, Wolfgang Schäuble und dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus vor allem einen Namen genannt, auf den er große Hoffnungen setze, das entstandene Vakuum wieder zu schließen: Karl-Theodor zu Guttenberg.

Karl-Theodor zu Guttenberg hat eine Imagebildung hinter sich, die es so seit langem nicht mehr gegeben hat. (Foto: dpa)

Das ist einerseits überraschend. Denn der Verteidigungsminister hat in den regelmäßig wiederkehrenden Debatten über das Konservative bisher kaum eine Rolle gespielt. Becksteins Verweis ist andererseits keineswegs überraschend, wenn man in den letzten Monaten verfolgt hat, welchen Zulauf Guttenberg bei öffentlichen Veranstaltungen der Union hat. Bei kaum einem Unionspolitiker sind die Säle und Zelte so voll wie beim Baron aus Oberfranken. Und keinem Unionspolitiker gelingt es derzeit besser, ein Lebensgefühl zu verkörpern, in dem sich eine konservative Ausstrahlung mit reformerischem Eifer verbindet. Guttenberg hat eine Imagebildung hinter sich, die es so seit langem nicht mehr gegeben hat. Das begann noch in der Zeit als Wirtschaftsminister. Sein Nein im Fall Opel ließ ihn in der Regierung einsam erscheinen, prägte aber ein Image, das sich bündeln lässt in den Worten: Ich habe es mir überlegt, ich kann das aus Überzeugung nicht mitmachen, tut mir leid, ich kann nicht anders. Da war plötzlich einer, der nicht herauszufinden versuchte, wohin gerade der Wind weht. Da stellte sich einer quer, ohne die Loyalität in der Regierung komplett aufs Spiel zu setzen. "Prinzipienfest - damit hat er damals seinen Namen verbunden", erklärt einer aus der Fraktionsspitze. "Und das hat er bis heute fest im Blick behalten."

Dabei gelinge es ihm sogar, "seine Pannen und Fehler sehr schnell vergessen zu machen." Guttenberg habe es als Verteidigungsminister zum Beispiel geschafft, dass man sein Hin und Her bei der Bewertung des verheerenden Bombenangriffs im nordafghanischen Kundus "heute mit einem Schulterzucken quittiert", während andere darüber womöglich gestürzt wären. "An ihm tropft alles ab", ergänzt einer aus der CDU-Führung, "seine Antihaft-Beschichtung ist fast schon perfekt ausgebildet."

Natürlich steckt in der Einschätzung eine Portion Neid. Trotzdem ist richtig, dass es Guttenberg gelungen ist, sich gerade für die konservative Klientel ein nahezu idealtypisches Image zu geben. So hat er es selbst nach Einschätzung seiner Widersacher in der Union geschafft, beim Thema Wehrpflicht Prinzipienfestigkeit mit Reformfreude zu verbinden. Dass auch er erst an der Wehrpflicht festhalten wollte, um sie dann abzuschaffen - die große Mehrheit in der Union wertet das nicht als Makel, sondern als Mut und Entschlossenheit. "Natürlich hat er auch getrickst, aber zur Zeit nimmt ihm das kaum jemand übel", heißt es bei vielen Christdemokraten.

Peter Altmaier, der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, sagt über Guttenbergs Rolle, es sei eben "kein Widerspruch", bei konservativen Wählern auf viel Zustimmung zu stoßen - und zugleich mit Verve etwas so Elementares wie die Wehrpflicht in Frage zu stellen. Mindestens bei selbsterklärten Konservativen ist ihm das gelungen. So behauptete der Stuttgarter Landeschef Stefan Mappus, Guttenberg habe seine Reformpläne einfach "exzellent" begründet.

Derzeit spricht wenig dafür, dass sich an den hohen Popularitätswerten für Guttenberg viel ändert. In den nächsten Wochen wird er im großen Stile durch die CDU-Landesverbände reisen, um vor dem Parteitag Mitte November auch letzte Skeptiker für seine Reform zu gewinnen. Eine bessere Gelegenheit, um in der Schwesterpartei CDU auch in eigener Sache zu werben, hat es für einen Christsozialen lange nicht mehr gegeben. Die CDU in Baden-Württemberg hat sicher nichts dagegen. Stefan Mappus hat intern schon klargemacht, dass er Guttenberg in den nächsten Monaten auch in seinem Wahlkampf gerne einsetzen würde. Dazu passt, was Guttenberg am Montagabend erklärte. Auf die Frage, ob er ein Konservativer sei, antwortete er: "Ja, und ich muss mich auch nicht verstellen." Fragt sich nur, wen er mit der angehängten Spitze wohl gemeint hat.

© SZ vom 15.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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