Ungewöhnliche Proteste in Syrien:Ein Präsident als Witzfigur

Lesezeit: 2 min

Mit Humor gegen Staatschef Assad: Auf der Website "Wikisham" zeigen syrische Aktivisten Cartoons, die das korrupte Regime und seine Verbündeten in Iran verspotten. Sie wollen damit Unterstützer in der arabischen Welt gewinnen, doch die kurzen Filme sind für die Oppositionellen gefährlich.

Syrische Aktivisten kämpfen mit Humor gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad. Sie haben eine Serie von Cartoons unter dem Namen "Wikisham" entworfen. Der Name leitet sich aus dem Arabischen ab: "Sham" ist der Name von Damaskus. Einige Cartoons können auf YouTube oder der gleichnamigen Website angesehen werden.

"Assad und sein Regime zu verspotten, ist ein neuer Weg, um die Revolution voranzutreiben", sagt der syrische Aktivist Rami Nachle, der im Libanon lebt. Auf Wikisham werden aber nicht nur Assad und dessen Anhänger ins Lächerliche gezogen. Nicht verschont werden auch sein Bruder Maher, Chef der Präsidentengarde, und sein Cousin Rami Machluf, ein verhasster Geschäftsmann.

Mit den Cartoons wollen die Demonstranten mehr Syrer für die Aufstände gewinnen. Seit Mitte März sind laut Menschenrechtsorganisationen mehr als 2200 Menschen bei den Protesten gegen das Regime umgekommen. "Revolutionäre in der ganzen Welt benutzen Cartoons, weil sie komplexe Themen verdichten", sagt der libanesische Psychologe Hala Raad. "Außerdem helfen sie dabei, mehr Sympathisanten zu gewinnen. Sie können dazu ermutigen mitzumachen."

Viele Episoden spielen im Präsidentenpalast, der auch "Palast des Volkes" genannt wird. Dort lebt Assad. Meistens wirkt der 45-Jährige besorgt und sucht militärischen Rat bei seinem Bruder Maher, der stets in Militäruniform erscheint. Maher al-Assad wird von Nichtregierungsorganisationen vorgeworfen, die Proteste brutal niederzuschlagen und für den Tod vieler Demonstranten verantwortlich zu sein.

Die Cartoonfiguren werden digital animiert und sprechen umgangssprachliches Arabisch. Einige Charaktere sprechen in einem starken Dialekt der Alawiten - eine Anspielung darauf, dass die Familie Assad zu dieser Minderheit schiitischer Muslime gehört, die seit 41 Jahren über eine Mehrheit von Sunniten herrschen.

Deutliche Kritik an Iran

In einer Episode erscheint Assad verkleidet und fragt einen weisen Mann nach der genauen Bedeutung des Protestslogans "Das syrische Volk wird niemals Unterdrückung akzeptieren." Der Mann antwortet: "Mein Sohn, Könige und Präsidenten sollten wissen, dass sie egal, was sie tun, eines Tages dafür bezahlen werden, wenn ihr Volk unglücklich über ihre Taten ist. Und nichts, nicht einmal Gott, wird sie beschützen."

In einer anderen Folge (siehe Videoclip oben, inklusive englischer Untertitel) bittet Assad den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadineschad um Hilfe, weil ihn das Volk plötzlich nicht mehr möge. Ahmadineschad lädt Assad nach Teheran ein, bringt ihn in einer schwarzen Limousine zu einer Höhle. Dort sitzt Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei, der Assad empfiehlt, mit brutaler Härte gegen die Demonstranten vorzugehen und schamlos zu lügen. Syriens Präsident bedankt sich für den Rat - und kündigt an, sich aus dem Staub zu machen, wenn diese Strategie nicht funktioniere.

Seit Beginn der Proteste haben die Demonstranten in Syrien Iran und die von Teheran unterstützte schiitische Hisbollah-Bewegung im Libanon kritisiert. Der Vorwurf: Sie sollen syrischen Sicherheitskräften helfen. "Es geht darum, die Tatsachen zu zeigen und wie dieses Regime damit umgeht, dass das Volk für Freiheit und Recht kämpft", sagt Aktivist Nachle. Die arabische Welt solle deshalb die Zeichnungen sehen.

Doch die Cartoons können für die Aktivisten gefährlich werden. Erst Ende August ist Ali Fersat, ein scharfer Kritiker des Assad-Regimes, verprügelt worden. Er wurde von vier Vermummten überfallen, die ihm beide Hände gebrochen haben sollen. Fersat hatte zuvor eine Karikatur veröffentlicht, die Assad mit dem langjährigen libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi verglich.

© sueddeutsche.de/dpa/Weedah Hamzah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: