Umsturz in Zentralafrika:Der "Kaiser" und seine Putschisten

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Flucht in der Zentralafrikanischen Republik: Rebellen haben die Macht an sich gerissen, der gestürzte Präsident ist in die Demokratische Republik Kongo geflohen (Foto: Reuters)

Die meisten Menschen leben von weniger als zwei Dollar am Tag: Trotz großer Rohstoffvorkommen ist die Zentralafrikanische Republik eines der ärmsten Länder der Welt. Nach dem Sturz der Regierung am Wochenende steht die Republik erneut vor einem Umbruch.

Ein Überblick über die Hintergründe der aktuellen Entwicklungen.

Mindestens neun Menschen sind tot, viele verschanzen sich aus Angst: Die Lage in der Zentralafrikanischen Republik spitzt sich zu. die Rebellengruppe Seleka ist am Wochenende bis in die Hauptstadt Bangui vorgedrungen. Präsident François Bozizé ist inzwischen in den Kongo geflohen und Rebellenführer Michel Djotodia hat sich zum neuen Staatsoberhaupt des Krisenlandes ernannt. Was bedeutet der Putsch für das politisch seit Jahren instabile Land? Was wollen die Rebellen? Wie reagieren internationale Institutionen auf den Umbruch? Hintergründe zu den Entwicklungen in einem der ärmsten Länder der Welt.

Panik und Stromausfälle in der Hauptstadt

Bei dem Vormarsch der Rebellen auf Bangui sind schwere Kämpfe ausgebrochen, berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP. Mindestens neun Menschen kamen demnach ums Leben. In der Stadt gerieten Menschen in Panik und verschanzten sich in ihren Häusern. Verschärft wurde die Lage durch einen Stromausfall im gesamten Stadtgebiet, sagten Einwohner. Zwar gebe es in Bangui häufig Stromausfälle, doch seien diesmal wahrscheinlich die schweren Ausschreitungen daran schuld.

Der arabische Sender Al-Dschasira berichtete zudem von schweren Plünderungen in der gesamten Hauptstadt. "Die Situation ist äußerst prekär. Die meisten Bewohner sind in ihren Häusern, weil fast alles geplündert wurde", zitierte der Sender eine UN-Mitarbeiterin vor Ort.

Seit mehr als 50 Jahren politisch instabil

Blutige Umstürze gab es in der Zentralafrikanischen Republik schon häufig: Fast alle Vorgänger Bozizés kamen gewaltsam an die Macht - und verloren sie genauso wieder. Begonnen hat das nach 1960, als sich das Land von seiner Kolonialmacht Frankreich befreite. Fünf Jahre später errichtete Jean-Bédel Bokassa ein blutiges Regime und rief sich zum "Kaiser auf Lebenszeit" aus.

Jean-Bedel Bokassa - fünf Jahre nach dem Sturz des selbsternannten "Kaisers" in Paris. (Foto: AFP)

Nach einem Massaker an Schulkindern 1979 griffen französische Truppen ein und brachten David Dacko an die Macht. Der wurde nur zwei Jahre später wieder durch einen Militärkollegen gestürzt, Andre Kolingba. 1993 schließlich wurde Ange-Felix Patasse zum Präsidenten gewählt; er setzte sich gegen Dacko und Kolingba durch und beendete damit eine zwölf Jahre andauernde Militärherrschaft des Landes. Als eine seiner ersten Amtshandlungen ließ er Tausende politische Gefangene frei, darunter auch Ex-"Kaiser" Bokassa. Doch auch auf Patasse hatten es andere Präsidentschaftsbewerber abgesehen, egal um welchen Preis: Bei einem Putschversuch von Ex-Präsident Kolingba, der so 2001 wieder an die Macht kommen wollte, kamen 59 Menschen ums Leben.

2003 schließlich putschte sich François Bozizé in den Präsidentenpalast - und versprach einen demokratischen Wandel. Tatsächlich konnte er seine Position zwei Jahre später durch eine Wahl, bei der er 64 Prozent der Stimmen erhielt, legitimieren. Trotzdem ist er umstritten: Die International Crisis Group, eine Nichtregierungsorganisation, die von westlichen Regierungen, Stiftungen und Unternehmen fianziert wird - wirft ihm massive Korruption und einen Abbau der Rechtsstaatlichkeit vor. Seine Amtszeit ist geprägt von blutigen Kämpfen gegen regierungsfeindliche Rebellen; vor allem im Norden des Landes kommt es immer wieder zu Ausschreitungen. Eigentlich sollte Bozizé das Land noch bis 2016 regieren. Jetzt ist er geflohen.

Reich an Rohstoffen und trotzdem arm

Nicht nur politisch, auch wirtschaftlich ist die Lage für die meisten Menschen in der Zentralafrikanischen Republik prekär - obwohl das Land über wertvolle Rohstoffe wie Uran, Gold und Diamanten verfügt. Trotzdem liegt das Durchschnittseinkommen bei kaum mehr als zwei Dollar pro Tag. Eine Infrastruktur gibt es praktisch nicht. Auch deshalb gilt die Republik als einer der am wenigsten entwickelten Staaten der Welt. Sie grenzt an andere Krisenländer wie den Kongo und Sudan. Hauptstadt des Landes, in dem etwa fünf Millionen Menschen leben, ist Bangui.

Die Einwohner der ehemaligen Kolonie sprechen hauptsächlich Französisch oder Sango und gehören dem Christentum oder dem Islam an. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt nicht viel höher als 50 Jahre. Angesichts der instabilen Lage des Landes warnt das Auswärtige Amt vor Reisen in die Zentralafrikanische Republik. Bereits 1997 schloss die deutsche Botschaft in Bangui.

Die ausländischen Truppen sollen das Land verlassen und Aufständische ins Militär geholt werden: Das fordert die Allianz Seleka, ein Zusammenschluss mehrerer bewaffneter Gruppen, die seit langem die Regierung des Landes bedrohen. Schon im Dezember vergangenen Jahres hatten sich die Milizen gegen Bozizé erhoben. Sie rückten damals fast bis zur Hauptstadt Bangui vor und drohten damit, sie einzunehmen - kurz bevor es doch noch zu einer Waffenstillstandsvereinbarung kam.

Die wurde im Januar zwischen Präsident Bozizé und den Rebellen geschlossen. Das Abkommen sieht unter anderem einen Waffenstillstand sowie die Bildung einer Übergangsregierung und Wahlen binnen zwölf Monaten vor. Bozizé soll demnach bis zum Ende seiner Amtszeit Präsident bleiben, ihm wird ein von der Opposition zu bestimmender Regierungschef zur Seite gestellt. In der vergangenen Woche haben die Aufständischen jedoch die Stadt Damara, 75 Kilometer nördlich von Bangui, eingenommen und damit nach Ansicht der Regierung eine "rote Linie" des Friedensabkommens überschritten.

UN verurteilt den Putsch, Frankreich will sich raushalten

Frankreich hat bereits 250 Soldaten im Land - und schickt jetzt noch weitere hinterher. Sie sollen unter anderem den internationalen Flughafen sichern. In Zentralafrika leben etwa 1200 Franzosen, die meisten davon in Bangui. "Die Situation ist aus unserer Sicht für die Franzosen unter Kontrolle", sagte der Außenminister Frankreichs, Laurent Fabius, laut BBC dem Radiosender Europe 1. Frankreich werde sich aber nicht in die innenpolitischen Angelegenheiten des Landes einschalten.

Anders UN-Generalsekretär Ban Ki Moon: Er hat den Sturz der Regierung in der Zentralafrikanischen Republik scharf verurteilt. In einer Erklärung bezeichnete den Umsturz als unrechtmäßige Machtergreifung und forderte, dass eine verfassungsgemäße Ordnung in dem Land wiederhergestellt werden solle.

Bereits vergangene Woche hatte der UN-Sicherheitsrat die Konfliktparteien in Zentralafrika aufgefordert, sich an das von ihnen im Januar unterzeichnete Friedensabkommen zu halten. Diejenigen, die für Folter, Vergewaltigungen und Hinrichtungen verantwortlich seien, müssten zur Rechenschaft gezogen werden, verkündete das Gremium. Zentralafrika ist Mitglied des für Kriegsverbrechen zuständigen Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag.

Der demokratische Wandel soll kommen

Nach der Flucht Bozizés hat sich Rebellenführer Michel Djotodia zum neuen Staatsoberhaupt des Krisenlandes ernannt. Er wollte sich noch am Montag mit einer Rede an das Volk wenden, berichtete der französische Sender RFI. Innerhalb von drei Jahren will Djotodia nach eigenen Angaben demokratische Wahlen abhalten. Der Anwalt und Menschenrechtler Nicolas Tiangaye soll Premierminister bleiben. Die Rebellen hatten den 56 Jahre alten ehemaligen Oppositionspolitiker nach den Friedensgesprächen mit der Regierung für das Amt vorgeschlagen.

© Süddeutsche.de/AFP/dpa/Reuters/vks - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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