In den Andenkenläden auf Jalta und Feodossija, den beliebten Badeorten, gab es schon lange Porträts nicht nur der Literaturgiganten Alexander Puschkin und Leo Tolstoi, die über die Krim geschrieben haben, sondern auch Wladimir Putins, mal im Ikonenstil, mal als kleinen Wandteppich. Daneben Büsten und Herrscherbilder der Zarin Katharina der Großen. Die Botschaft: Die Krim ist russisch.
Tolstois literarische Karriere nahm hier ihren Anfang. Seine "Sewastopoler Erzählungen" machten den damals 26-Jährigen auf einen Schlag bekannt, denn abweichend vom offiziellen Hurrapatriotismus schildert er darin die Schrecken des Krimkrieges 1854/55, in dem er als Artillerieoffizier diente. Damals wollten Briten und Franzosen im Bund mit dem von Moskau bedrängten Osmanischen Reich verhindern, dass das Zarenreich den Bosporus unter Kontrolle nehme.
Eine Generation vor Tolstoi hatte Puschkin die Krim in die russische Literatur eingeführt: Nach einer Rundreise über die Halbinsel 1820 schrieb er den Gedichtzyklus "Taurisches" (russisch: Tawrida); in seinem Versroman "Eugen Onegin" rühmt er die "wunderschönen Ufer Tauriens".
"Tauris" ist der altgriechische Name der Krim, unter dem sie auch in die Kulturgeschichte eingegangen ist. Johann Wolfgang von Goethe und Christoph Willibald Gluck widmeten sich dem Schicksal der "Iphigenie auf Tauris". Die Tochter des Königs Agamemnon erwähnte bereits Homer, sie musste dort in einem Tempel dienen. Der Geschichtsschreiber Herodot schildert die Taurer als räuberisches Kriegervolk; Iphigenie musste helfen, den Gefangenen die Häupter abzuschlagen.
Die Krim ist seit jeher eine umkämpfte Region. Die Taurer wurden laut Herodot von den Skythen unterworfen, einem Reitervolk aus den Steppen nördlich des Schwarzen Meeres. Die Skythen mussten sich wiederum den iranischen Sarmaten beugen. Schon damals trieben die Griechen mit beiden Völkern regen Handel; sie gründeten an der Krimküste Niederlassungen.
Manchmal friedlich, oft im Krieg
Diese Kolonialstädte schlossen sich zum Bosporanischen Reich zusammen, das den Seehandel vom Bosporus bis zur Nordküste des Schwarzen Meeres kontrollierte. Doch auf der Südseite in der heutigen Türkei erwuchs ihnen ein starker Gegner, das ebenfalls griechische Königreich Pontus. Schließlich annektierten die Ponter das Reich ihrer Handelskonkurrenten.
Im ersten vorchristlichen Jahrhundert unterlagen die Ponter in drei Kriegen gegen die Militärmaschine Roms. Ihr König Mithridates floh auf die Krim. Sein Kampf gegen die Römer bildet den Hintergrund der Oper "Mitridate", mit der der 14-jährige Wolfgang Amadeus Mozart in Wien Aufsehen erregte. Die Legende berichtet, der auf Rache sinnende Mithridates habe in seinem Exil vergiftet werden sollen, doch sei er durch jahrelange Einnahme kleiner Dosen der Giftstoffe immun gewesen.
Die Krim blieb, was sie unter den Griechen gewesen war: ein Ort, an dem Europa und Asien, die Kulturen der Städte und der Steppe aufeinandertrafen, manchmal friedlich, oft im Krieg. Die Römer beschränkten sich darauf, den Küstenstreifen um die heutige Stadt Jalta in Besitz zu nehmen. Über das Krimgebirge im Norden kamen sie nicht hinaus. In diesem Gebiet ließen sich im Zuge der Völkerwanderung vom dritten Jahrhundert an ostgermanische Goten nieder. Allerdings wurden die gotischen Siedlungen bei jedem der folgenden Herrschaftswechsel dezimiert, kein anderes Gebiet in Europa erlebte so viele Umbrüche wie die Krim.
Mit der Teilung des römischen Imperiums fiel die Krim an Konstantinopel, auch Byzanz genannt. Mehrmals geriet sie als Außenposten nun in den Fokus der großen Politik: Erst wurde der abgesetzte Papst Martin I. dorthin verbannt, in dem Kirchenstreit darüber, ob Jesus nur einen göttlichen oder auch zusätzlich einen menschlichen Willen habe, war er unterlegen. Zuerst wurde er wegen Irrlehre zum Tode verurteilt, dann aber nur ausgepeitscht und deportiert. Er starb 655 auf der Krim.
Genau vier Jahrzehnte später musste der oströmische Kaiser Justinian II. nach einer Palastintrige denselben Weg gehen, nachdem ihm seine Gegner die Nase hatten abschneiden lassen. Doch Justinian fand Verbündete in den Chasaren, einem Turkvolk mit jüdischer Oberschicht, das den Norden der Halbinsel kontrollierte. Er heiratete eine chasarische Prinzessin, fand außerdem Unterstützung bei den Bulgaren am Westufer des Schwarzen Meeres und fiel mit einer gemischten Streitmacht in Byzanz ein.
Unter seinen Gegnern nahm er schreckliche Rache, es gab Massenhinrichtungen, der Patriarch wurde geblendet. Doch dieser Terror schlug auf ihn zurück: Ausgerechnet auf der Krim sammelten sich seine versprengten Gegner, sie marschierten auf Byzanz und ließen Justinian köpfen.
Die "Goldene Horde" kam gewaltsam - ihre Nachfahren heißen Tataren
Die Krim blieb, von den byzantinischen Küstenstädten abgesehen, unter der Herrschaft der Chasaren, bis Ende des 10. Jahrhunderts erstmals die Kiewer Rus auf den Plan trat. Großfürst Wladimir, der vermutlich von Warägern abstammte, den in Russland eingedrungenen Wikingern, ließ einige Städte brandschatzen, musste sich aber bald zurückziehen.
988 führte Wladimir in Kiew das Christentum nach byzantinischem Ritus ein, weshalb die orthodoxe Kirche ihn heute als Heiligen verehrt. Verdrängt wurden die Chasaren von den Kumanen, die in den Chroniken auch als Polowetzer auftauchen. Ursprünglich stammten sie aus den Steppen des heutigen Kasachstans, traten aber unter dem Druck der Mongolen die Wanderschaft nach Westen an. In die Kulturgeschichte eingegangen sind sie dank der Oper "Fürst Igor" von Alexander Borodin, die Polowetzer Tänze gehören zu den großen Hits der klassischen Musik.
Auch diese Ära endete gewaltsam. Die Kumanen wurden von der Goldenen Horde niedergemetzelt, die unter Batu Khan, einem Enkel Dschingis Khans, von 1237 bis 1241 alle Länder von Mittelasien bis Schlesien überrollte. Nach knapp zwei Jahrhunderten zerfiel auch die Herrschaft der Mongolen, von den russischen Chronisten Tataren genannt. Immerhin: Die Halbinsel konnten sie halten. Die Tataren gaben ihr ihren heutigen Namen, "Qirim" bedeutet "Festung". Mittlerweile hatten sie den Islam angenommen.
Die Küste blieb allerdings bei Byzanz, bis die Stadtrepubliken Venedig und Genua den Schwarzmeerhandel entdeckten. Die Italiener, die die Krim damals Gothia nannten, behielten die Oberhand. Doch führten sie auch mehrere Kriege gegeneinander, vor allem um die Kontrolle der Landzunge im Nordosten, weil gegenüber auf dem Festland die Seidenstraße endete. So blockierten die Venezianer den genuesischen Hafen Caffa, das heutige Feodossija, damals auch ein großer Sklavenmarkt.