Krieg in der Ukraine:Erneut schwere Angriffe auf die Ukraine

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Bewohner Kiews suchen in der U-Bahn Schutz vor den Angriffen. (Foto: Stringer/Reuters)

Russland greift wieder Ziele im ganzen Land mit Raketen und Drohnen an. Einen Vorschlag Kiews für eine Friedenskonferenz schlägt Außenminister Lawrow aus.

Von Nicolas Freund

Am Donnerstagmorgen zogen in Kiew und anderen Regionen der Ukraine wieder die Rauchspuren russischer Marschflugkörper und ukrainischer Abwehrraketen über den Morgenhimmel. Die russische Armee hatte bereits am Mittwochabend in mehreren Wellen einen der größten Angriffe seit Beginn des Krieges gestartet. Sogenannte Kamikaze-Drohnen, wohl vom iranischen Typ Schahed, sollen laut der Befehlsstelle der ukrainischen Luftabwehr Ziele im Süden und Osten des Landes angegriffen haben, womöglich auch die Stadt Odessa.

Schahed-Drohnen sind wie Raketen nur einmal einsetzbar, da sie beim Aufprall auf ihr Ziel detonieren. Sie sind jedoch viel billiger als Raketen, weshalb die Kosten und der Aufwand der Flugabwehr, um einen Drohnenangriff abzuwehren, oft deutlich größer sind als die der Angreifer. Viele Details des aktuellen Angriffs und mögliche Schäden sind noch unklar, auch weil ein Berater des ukrainischen Präsidenten dazu aufgerufen hatte, keine Bilder von Einschlägen oder Explosionen in sozialen Netzwerken zu teilen. Das könne die Positionen der ukrainischen Flugabwehr verraten.

Viele Raketen wurden abgefangen, einige aber haben ihr Ziel getroffen

Am Donnerstagmorgen starteten die russischen Streitkräfte dann wohl mehr als hundert Drohnen und Raketen von Flugzeugen und Schiffen aus auf Ziele in der ganzen Ukraine. In Kiew suchten viele Menschen wieder Schutz in den Schächten der U-Bahn. Nach Angaben der ukrainischen Armee sind 54 von 69 Raketen abgefangen worden. In anderen Berichten war sogar die Rede von mehr als 120 Raketen, die auf die Ukraine abgefeuert wurden.

Explosionen sind unter anderem aus der Hauptstadt Kiew sowie aus Charkiw und Lwiw gemeldet worden. Es ist noch nicht klar, ob es sich dabei um die Detonationen abgefangener Raketen oder um Einschläge handelte. Zumindest einige Raketen haben aber wohl ihre Ziele getroffen. Nach Angaben des Bürgermeisters von Lwiw ist fast in der gesamten Stadt der Strom ausgefallen. In Kiew soll ein Haus durch herabfallende Trümmer beschädigt worden sein. Mindestens drei Menschen sind laut dem Bürgermeister Vitali Klitschko verletzt worden. Auch in der Hauptstadt soll teilweise der Strom ausgefallen sein.

Aufräumarbeiten bei Kiew nach dem russischen Raketenangriff. (Foto: Valentyn Ogirenko/Reuters)

Aus Cherson werden ebenfalls mindestens zwei Verletzte gemeldet. Das russische Verteidigungsministerium feierte die Angriffe auf Telegram mit dem Bild eines Raketenstarts und der Erklärung, Kalibr "gehen niemals aus". So heißen die Raketen, die von Schiffen aus gestartet werden. Seit Längerem schon wird spekuliert, dass die russische Armee nicht mehr lange das Material für solche teuren und aufwendigen Angriffe aufbringen könnte.

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Russlands Streitkräfte greifen seit Monaten gezielt die zivile Infrastruktur in der Ukraine an, immer wieder kommt es bei Minusgraden zu Ausfällen der Strom-, Wärme- und Wasserversorgung. Da Russland an der Front keine Erfolge erzielen kann, soll der Kampfeswille der Ukrainer mit solchen Angriffen gebrochen werden, so die Strategie Moskaus. Bisher gibt es keine Anzeichen für einen Erfolg dieser völkerrechtswidrigen Angriffe.

Seltene Erscheinung: Präsident Selenskij bei einer Rede im Parlament am 28. Dezember 2022. (Foto: STR/AFP)

Die Ansprache von Präsident Wolodimir Selenskij vor dem ukrainischen Parlament wurde am Mittwochabend wegen der Angriffe um 90 Minuten verschoben. Der Präsident bekräftigte in der Rede Teile eines im November vorgestellten Zehn-Punkte-Planes für Friedensverhandlungen, der unter anderem die Verfolgung und Verurteilung von Kriegsverbrechen, Reparationszahlungen und die bedingungslose Wiederherstellung des ukrainischen Staatsgebiets vorsieht.

Auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hatte am Montag eine Friedenskonferenz im kommenden Jahr vorgeschlagen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow lehnte die von Kiew genannten Bedingungen kategorisch ab. Der Kreml hatte zuletzt immer wieder behauptet, die Ukraine wolle keine Verhandlungen. Russland werde sich keinem Tribunal stellen, sagte Lawrow, Kiew solle seine Ansprüche auf die von Russland annektierten Gebiete aufgeben. Ob irgendwann Verhandlungen möglich sind, das zeichnet sich deutlich ab, wird sich an der Frage entscheiden, wie es mit den derzeit von Russland besetzten Gebieten weitergeht.

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