Krieg in der Ukraine:Festgefahren nach Plan

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Selbst Krankenhäuser brennen: Ein ukrainischer Feuerwehrmann bei Löscharbeiten in Mykolajiw. (Foto: Stanislaw Kozliuk/REUTERS)

Beide Seiten erzielen derzeit keine Erfolge, sind aber zu stark, um zu verlieren. Eine gefährliche Situation.

Von Nicolas Freund

Russland warf den USA am Dienstag vor, mit Geheimdienstinformationen direkt in den Krieg in der Ukraine einzugreifen. Als Beleg dafür führten sie ein Interview mit Wadim Skibizki, dem stellvertretenden Leiter des ukrainischen Militärgeheimdienstes, in der britischen Zeitung The Telegraph an. Darin erklärt Skibizki, man stehe in engem Austausch mit westlichen Nachrichtendiensten, was allerdings längst bekannt ist. Die Bereitstellung von Geheimdienstinformationen wird generell nicht als direkte Einmischung in einen Konflikt gewertet.

Der Vorwurf aus Moskau kommt zu einer Zeit, in der die russischen Streitkräfte in der Ukraine nicht richtig zu wissen scheinen, wie es weitergehen soll. Nach wochenlangen, teils sehr schweren Kämpfen im Donbass nehmen nun auch die Gefechte im Süden der Ukraine weiter an Intensität zu. Es zeichnet sich aber gleichzeitig an allen Kriegsschauplätzen ab, dass derzeit keine der beiden Seiten größere Erfolge erzielen kann.

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Im Norden gelingt es der russischen Armee trotz wiederholter Angriffe nicht, weiter auf die Großstadt Charkiw vorzurücken. Die ukrainischen Verteidiger schaffen es im Gegenzug aber auch nicht, die Angreifer hinter die Landesgrenze zurückzudrängen. Wie im Donbass und im Süden stehen ukrainische Positionen dort unter ständigem russischem Artilleriefeuer. Das russische Verteidigungsministerium behauptet, mehrere Munitionsdepots bei Mykolajiw sowie sechs Himars-Raketenwerfer und fünf Abschlussanlagen für Harpoon-Raketen zerstört zu haben. Mit diesen Waffen hatten die ukrainischen Streitkräfte zuletzt russische Kommandoposten und Munitionsdepots weit hinter den Frontlinien sowie Schiffe im Schwarzen Meer zerstört und bedroht.

Im Süden bei der Stadt Cherson sollen laut dem örtlichen Gouverneur Dmytro Butriy im Zuge der lange angekündigten ukrainischen Gegenoffensive angeblich bereits knapp 50 kleinere Ortschaften befreit worden sein. Wie die russischen Behauptungen von der Zerstörung mehrerer ukrainischer Raketenabschussanlagen ist diese Meldung bisher allerdings nicht bestätigt. Experten wie der Militärhistoriker Sönke Neitzel haben Zweifel an der Fähigkeit der ukrainischen Armee, die Stadt Cherson zurückzuerobern. Eine Operation dieser Größe haben die Verteidiger bisher noch nicht durchgeführt. Im Kreml scheint man die Drohungen von einer Gegenoffensive allerdings etwas ernster zu nehmen. So soll zuletzt eine große Anzahl an Truppen aus dem Donbass in den Süden, vor allem in die Regionen um Cherson und südlich der Stadt Saporischschja verlegt worden sein. Unklar ist derzeit, was das für die ohnehin nur schleppend vorangehende Offensive der russischen Armee im Donbass bedeutet.

Zumindest laut dem russischen Verteidigungsminister Sergeij Schoigu läuft dort alles planmäßig ab. Ähnlich wie bei den Fähigkeiten der ukrainischen Armee zur Rückeroberung Chersons gibt es allerdings starke Zweifel, dass es den russischen Streitkräften in absehbarer Zeit gelingen wird, weitere Städte in der Region Donezk zu erobern. Schon für die Einnahme der damals fast ganz eingekreisten Städte Sjewerodonezk und Lyssytschansk brauchte die russische Armee Wochen. Andere Städte wie Slowjansk und Bachmut sollen aber wesentlich besser befestigt sein und die russische Armee ist lange nicht in einer so guten Angriffsposition. Obwohl auch zuletzt wieder teils schwere Kämpfe von dort gemeldet wurden, scheinen die russischen Angriffe in dieser Region derzeit nichts auszurichten.

Es macht den Eindruck, als seien aktuell beide Seiten zu schwach, um Erfolge zu erzielen, aber auch zu stark, um signifikante Verluste hinnehmen zu müssen. Möglichweise eine gefährliche Mischung: Beide Seiten könnten sich gezwungen sehen, zum Erreichen ihrer Ziele große Risiken einzugehen.

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