In seiner Antrittsrede hat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij das Parlament aufgelöst und Neuwahlen in zwei Monaten angekündigt. Er wolle zudem die Immunität der Abgeordneten aufheben sowie eine Initiative gegen Bereicherung im Amt einleiten. Der Geheimdienstchef und der Generalstaatsanwalt sollen entlassen werden.
Bereits im Wahlkampf hatte der 41-Jährige angekündigt, das Parlament aufzulösen, weil es angeblich nicht die Interessen des Volkes vertrete. Selenskij ist derzeit allerdings auch ein relativ machtloser Präsident, da die Anhänger des scheidenden Präsidenten Petro Poroschenko im Parlament die Mehrheit haben. Ursprünglich waren die Parlamentswahlen für Oktober vorgesehen. Selenskijs eigens gegründete Partei "Diener des Volkes" liegt laut Umfragen aktuell bei etwa 40 Prozent der Stimmen.
Bereits im Vorfeld hatte sich eine Machtprobe abgezeichnet. Mit einem Kniff hatten Politiker des Parlaments versucht, eine Auflösung zu verhindern. Letztlich muss das ukrainische Verfassungsgericht darüber entscheiden, ob Selenskijs Schritt rechtens ist. Einige ranghohe Politiker hatten in den vergangenen Tagen bereits ihren Rücktritt erklärt, darunter Außenminister Pawel Klimkin. Verteidigungsminister Stepan Poltorak trat am Montag kurz nach der Rede Selenskijs zurück. Am Freitag hatte die Partei Volksfront des früheren Regierungschefs Arsenij Jazenjuk angekündigt, aus der Regierungskoalition auszutreten. Selenskij legte am Montag der gesamten Regierung den Rücktritt nahe.
Gewählter Präsident:Ukrainisches Parlament fordert Selenskij heraus
Der designierte Präsident will die Rada auflösen. Viele Abgeordnete befürchten, nicht wiedergewählt zu werden - und wehren sich mit einem Kniff.
In seiner Rede in Kiew erklärte der neue Präsident das Ende des Krieges im Osten der Ukraine zur vorrangigen Aufgabe seiner Amtszeit. "Ich bin bereit zu allem", sagte er. Für den Frieden im Donbass sei er bereit, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen und seine eigene Beliebtheit zu opfern, sagte er unter Beifall. Er will demnach auch den Dialog suchen mit Russland.
Zugleich kritisierte Selenskij die Regierung unter seinem Vorgänger Poroschenko. Sie habe nichts dafür getan, dass sich die Menschen im Donbass als Ukrainer fühlten. Einen Teil seiner Rede hielt er auf Russisch. Er betonte, dass er alles dafür tun werde, die von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim wieder zurückzuholen. Er sei nicht bereit, Gebiete der Ukraine herzugeben.
Selenskij ist der jüngste Präsident, den das Land je hatte. Er hatte sich bei den Wahlen im April mit 73 Prozent klar gegen Amtsinhaber Poroschenko durchgesetzt. Selenskij wurde in der Ukraine vor allem für seine Rolle als Präsident in einer Fernsehserie bekannt, in der er gegen einen korrupten Staatsapparat kämpft. Politisch steht er für einen proeuropäischen Kurs. Auf seine TV-Karriere als Komiker nahm der Präsident auch in seiner Rede Bezug: "Mein ganzes Leben lang habe ich alles versucht, um Ukrainer zum Lachen zu bringen. In den kommenden fünf Jahren will ich alles dafür tun, damit die Ukrainer nicht weinen."