Ukraine-Konflikt:Im Zweifel Gewalt

pro-russischer Separatist

Ein prorussischer Separatist patroulliert am umkämpften und inzwischen zerstörten Flughafen von Donezk.

(Foto: AP)
  • Nach den gescheiterten Verhandlungen über einen baldigen Ukraine-Gipfel herrscht in Berlin Frustration.
  • Kiew und Moskau beschuldigen sich nach dem Abbruch der Gespräche in Berlin gegenseitig.
  • Das erneute Scheitern der Außenminister-Runde deutet an, dass der Krieg in der Ostukraine so schnell nicht vorbei sein wird.
  • Auch ein knappes Jahr nach dem Ausbruch der Krise ist Russland nicht gewillt, Druck auf die Separatisten auszuüben.

Von Cathrin Kahlweit, Wien, und Stefan Braun, Berlin

Das Ergebnis des Vorbereitungsgesprächs in Berlin lässt sich in ein Wort fassen: Frustration. Zwar hatte niemand wirklich daran geglaubt, dass die Verhandlungen über ein Treffen der ukrainischen, russischen und französischen Präsidenten sowie der deutschen Kanzlerin in Kasachstan einen großen Schritt vorankommen würde, aber bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Vor dem Treffen hatte der deutsche Außenminister noch gesagt, "er wisse nur, dass es falsch wäre, diesen Versuch nicht zu unternehmen". Nach dem Treffen ergänzte Frank-Walter Steinmeier, die Meinungsverschiedenheiten hätten gezeigt, "wie schwer ein Fortschritt zu erreichen ist".

Mag also sein, dass es in den nächsten Tagen weitere Versuche gibt. Mag sein, dass es irgendwann besser wird. Aber das erneute Scheitern der Außenminister-Runde wird allmählich zum Menetekel dafür, dass der Krieg in der Ostukraine so schnell nicht vorbei sein wird. Das ist nicht zuletzt den zunehmend unzufriedenen, ja zornigen Kommentaren zu entnehmen, die aus deutschen und französischen Diplomatenkreisen zu hören sind.

Auch ein knappes Jahr nach dem Ausbruch der Krise ist Russland noch immer nicht gewillt, Druck auf die Separatisten auszuüben. Diese würden, so die Kritik, aus Russland unterstützt und beliefert - aber wenn es darum gehe, sie zu echten Waffenstillstandsverhandlungen zu bewegen, zucke Moskau mit der Schulter. Im Westen verstärkt sich deshalb der Eindruck, Russland bremse bewusst bei einer politischen Lösung. Aber Zweifel gibt es auch an Kiews Darstellung, die Ukraine erfülle alle Bedingungen, die einst im September in Minsk für einen echten Fortschritt vereinbart wurden. Wie soll es also weitergehen?

Mythenbildung und Machtkämpfe

Abseits des diplomatischen Parketts wird ohnehin längst eine andere Sprache gesprochen. Es geht um Mythenbildung, um Machtkämpfe, um Vorbereitungen für die nächste Offensive - von beiden Konfliktparteien. Separatistenführer Alexander Sachartschenko in Donezk zum Beispiel beteuert, dass er natürlich jederzeit zu Gesprächen bereit sei. Gleichzeitig aber lässt er wissen, das ganze Gerede, in Minsk oder anderswo, sei "weniger wert als nichts". Wenn man den Konflikt nicht in Verhandlungen lösen könne, müsse man ihn eben mit Gewalt lösen.

Zu dieser Haltung passen die jüngsten Berichte von der Front: Offiziell ist der Waffenstillstand vom Herbst in Kraft, der ohnehin nie so recht eingehalten wurde. Mittlerweile aber kann man getrost von einer Wiederaufnahme der Kampfhandlungen zwischen Separatisten und ukrainischer Armee sprechen. Ein trauriger Beweis dafür ist der Raketenangriff auf einen Bus am Dienstag, bei dem mindestens zehn Zivilisten nahe Donezk getötet wurden. Prorussische Separatisten hatten das Geschoss am Dienstag offenbar auf einen Kontrollpunkt der ukrainischen Armee gefeuert, dabei aber versehentlich den Bus getroffen.

Erneut stark umkämpft ist auch der bereits zerstörte Donezker Flughafen, der beiden Konfliktparteien als Symbol für Sieg und Niederlage gilt. Ukrainische Freiwillige halten sich dort seit Monaten. Unter dem an Science-Fiction-Helden angelehnten Namen "Cyborgs" haben sie sich verschanzt. Die Kämpfer haben in der ukrainischen Gesellschaft mittlerweile Heldenstatus. Immer wieder hatte es in den vergangenen Monaten Absprachen mit den Separatisten über die kurzzeitige Öffnung eines Korridors gegeben, durch den Soldaten abziehen konnten. Mit der jüngsten Nachricht aus der Kampfzone senden die prorussischen Kräfte aber ein anderes Signal: Sie verweigern den Ukrainern den Abtransport ihrer Verwundeten.

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