Krieg in der Ukraine:Ukraine kündigt große Gegenoffensive an

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Ein ukrainischer Soldat untersucht einen Bombenkrater im Hof einer Schule in der Stadt Charkiw. (Foto: Sergeij Bobok/AFP)

Zivilisten sollen besetzte Gebiete verlassen. Russland bombardiert nach Eroberung der Region Luhansk die Großstadt Charkiw.

Von Nicolas Freund

Die stellvertretende ukrainische Ministerpräsidentin hat die Bewohner der von Russland besetzten Gebiete im Süden des Landes dazu aufgerufen, die Region zu verlassen. Notfalls in Richtung anderer besetzter Gebiete wie der Halbinsel Krim, wenn es nicht anders gehe. Die ukrainische Armee bereite eine große Offensive vor, um die Gebiete um die Städte Cherson und Saporischschja zurückzuerobern, teilte Iryna Wereschtschuk am Sonntag mit. In einem Interview mit der britischen Zeitung The Sunday Times sagte der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow, er sei von dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij beauftragt worden, eine Million Soldaten mit westlicher Ausrüstung zur Rückeroberung der Region zusammenzuziehen. Wann die Offensive stattfinden soll, ist nicht bekannt.

Eine Million Soldaten könnte die Ukraine wohl tatsächlich aufstellen, wenn sie alle Reservisten einzieht. Diese dann auch mit der entsprechenden Ausrüstung zu versehen, ist wahrscheinlich die größere Herausforderung. Laut Resnikow ist die Ukraine dazu auf weitere Hilfen der Nato-Mitglieder und anderer verbündeter Staaten angewiesen. Der niederländische Premier Mark Rutte sagte bei seinem Besuch in der Ukraine am Montag bereits weitere Waffenlieferungen zu. Die ukrainische Armee behauptete ebenfalls am Montag, im Süden bereits das Dorf Iwaniwka zurückerobert zu haben. Diese Meldung konnte bisher nicht bestätigt werden.

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Die russische Armee scheint nach der Eroberung der Region Luhansk nicht wie angedeutet eine Pause einzulegen. Laut dem ukrainischen Generalstab ist die Großstadt Charkiw im Norden des Landes das Ziel russischer Raketenangriffe und Bombardements mit Artillerie. Mindestens sechs Menschen sollen getötet und 31 weitere verletzt worden sein. Analysten interpretieren diesen Beschuss als Vorbereitung einer Großoffensive, möglicherweise mit dem Ziel, die Stadt Charkiw und damit die nach Kiew zweitgrößte Stadt der Ukraine einzunehmen.

Die russischen Truppen schienen zuletzt nicht zu Vorstößen an mehreren Orten gleichzeitig in der Lage zu sein. Nach den wochenlangen Gefechten um die Städte Lyssytschansk und Sjewjerodonezk scheinen sie ihre Kräfte teilweise in den Norden zu verlegen. Der ukrainische Generalstab hält auch eine neuerliche russische Offensive im Donbass für möglich. Die ukrainische Drohung einer Großoffensive im Süden könnte dazu dienen, die russischen Truppen entlang der Front auseinanderzuziehen und so weitere Angriffe zu erschweren oder zu verzögern.

Derzeit besteht die russische Strategie vor allem darin, sich mit Artillerie langsam den Weg frei zu schießen. So wurde in der Region Donezk in der Stadt Tschassiw Jar ein Wohnhaus von einer russischen Rakete getroffen, mehr als 30 Menschen sollen dabei getötet worden sein. Selenskij verurteilte den Angriff scharf. In seiner täglichen Ansprache sagte er, die Täter würden "alle gefunden werden" und zur Rechenschaft gezogen.

Russlands Staatschef Wladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan haben am Montag über Lösungen des Streits um Getreideexporte aus der Ukraine am Telefon gesprochen. Es sei Zeit für die UN, den Plan eines Getreidekorridors durch das Schwarze Meer umzusetzen, hieß vom türkischen Präsidialamt. Der Kreml teilte mit, es sei auch um die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder gegangen. Die Rede war auch von einem "russisch-türkischen Treffen auf höchster Ebene" in nächster Zeit.

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