Statistisches Bundesamt:Ukrainische Bevölkerung in Deutschland mehr als versiebenfacht

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Drei aus der Ukraine stammende Frauen im März 2022 in der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Stuttgart. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Seit Kriegsbeginn sind mehr als eine Million Menschen hierhergekommen - und die meisten fühlen sich willkommen. Inzwischen sind Ukrainer die zweitgrößte ausländische Bevölkerungsgruppe.

Nach dem russischen Angriff sind im vergangenen Jahr etwa 1,1 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer nach Deutschland gekommen. Etwas mehr als zwei Drittel seien von März bis Mai 2022 zugewandert, also in den ersten drei Monaten nach Beginn der Invasion, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Seitdem hätten die Fortzüge in die Ukraine wieder zugenommen - insgesamt seien 139 000 Ukrainer in ihr Land zurückgekehrt.

Daraus ergebe sich eine Nettozuwanderung von 962 000 Menschen aus der Ukraine. Sie sei damit größer als die aus Syrien, Afghanistan und dem Irak in den Jahren 2014 bis 2016 zusammen (834 000).

Im Oktober lebten laut der Statistik 1,02 Millionen Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit in Deutschland, Anfang 2022 waren es 138 000 Menschen. Diese Zahl hat sich somit mehr als versiebenfacht. Der Anteil der Ukrainerinnen und Ukrainer an der Gesamtbevölkerung stiegt von 0,2 auf 1,2 Prozent. Sie sind nach den türkischen Staatsangehörigen (1,33 Millionen) nun die zweitgrößte ausländische Bevölkerungsgruppe in Deutschland.

Die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer lebten in den bevölkerungsreichsten Bundesländern, also Nordrhein-Westfalen (210 000), Bayern (152 000), Baden-Württemberg (135 000) und Niedersachsen (105 000). Mit 63 Prozent sind unter ihnen besonders viele Frauen und Mädchen - das liegt daran, dass viele Männer die Ukraine wegen des Kriegszustands nicht verlassen dürfen. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren machen 35 Prozent der Geflüchteten aus.

Mehrheit fühlt sich in Deutschland willkommen

Die meisten der nach Deutschland geflüchteten Ukrainer leben in Privatwohnungen, wie aus einer Befragung hervorgeht. Fast drei Viertel sind direkt nach ihrer Ankunft in private Wohnungen gezogen, mehr als die Hälfte bewohnt diese allein oder mit geflüchteten Angehörigen. Der Studie "Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland" zufolge leben nur neun Prozent in Gemeinschaftsunterkünften. Die Erhebung ist nach Angaben der Autoren repräsentativ für Menschen, die zwischen dem Kriegsbeginn am 24. Februar und Anfang Juni 2022 nach Deutschland gekommen sind.

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"Es zeigt sich, dass sich die deutliche Mehrheit in Deutschland willkommen fühlte", sagte Nina Rother vom Forschungszentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Yuliya Kosyakova vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erklärte, es sei wichtig, Integrations- und Unterstützungsmaßnahmen auf einen langfristigen Aufenthalt auszurichten. Die Integration ukrainischer Frauen werde ohne geeignete Kinderbetreuung erschwert. Viele litten unter der Trennung von engen Angehörigen und benötigten psychosoziale Betreuung. Soziale Beziehungen und Netzwerke seien sehr wichtig für das Ankommen in Deutschland.

Kommunen fordern Hilfe vom Bund

Wegen der gestiegenen Zahlen von Zuwanderern aus der Ukraine werden allerdings in vielen Kommunen die Plätze zur Unterbringung knapp. Deshalb treffen sich an diesem Donnerstag Vertreter von Ländern und Kommunen mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser zu einem Flüchtlingsgipfel, um über Fragen der Finanzierung, Unterbringung und Versorgung zu sprechen.

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Der Bund müsse die Kosten der Unterkunft in vollem Umfang übernehmen, forderte der Erste Stellvertreter des Präsidenten des Deutschen Städtetages, Eckart Würzner, vor dem Gipfel. Zudem müssten die Verfahren rund um die Unterbringung geflüchteter Menschen rechtlich vereinfacht werden. Denn diese bräuchten jetzt ein Dach über dem Kopf. Mit Geld alleine werde das auch gar nicht zu lösen sein, gab er zu bedenken. Viele Kommunen brächten Geflüchtete bereits in Zelten, Containerdörfern und Messehallen unter.

"Was auch hilft, ist, freistehenden Wohnraum zu reaktivieren und Erleichterungen im Bauleitverfahren", sagte Faeser. Die Innenministerin dämpfte aber die Erwartungen der Länder und Kommunen an eine höhere finanzielle Unterstützung des Bundes. "Die Verabredung zur Finanzlage ist ja, dass der Bundeskanzler das mit den Ministerpräsidenten um Ostern herum wieder berät", sagte sie. Für dieses Jahr seien bereits 2,75 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt worden. "Und die können, glaube ich, Mitte Februar noch nicht ausgegeben sein."

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