Bei den wahlberechtigten Türkinnen und Türken in Deutschland zeichnet sich bei der Präsidentschaftswahl erneut eine deutliche Mehrheit für Recep Tayyip Erdoğan ab. Auf den Amtsinhaber entfielen beim Stand von fast 98 Prozent der ausgezählten Wahlurnen aus Deutschland knapp zwei Drittel der Stimmen, wie aus Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu hervorgeht. Offizielle Zahlen der Wahlbehörde zum Ergebnis in Deutschland liegen noch nicht vor. Laut dem Zwischenstand entfielen in Deutschland gut 65 Prozent der Stimmen auf Erdoğan. Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu kam dagegen nur auf knapp 33 Prozent.
Erdoğan dürfte in Deutschland somit wohl wieder viel besser abschneiden als in der Türkei: Insgesamt liegt er nach Angaben der türkischen Wahlbehörde mit 49,51 Prozent der Stimmen nur knapp vor Kılıçdaroğlu, der auf 44,96 Prozent kommt.
Weil die Kandidaten eine absolute Mehrheit verfehlen, gehen sie am 28. Mai in eine Stichwahl. Wählerinnen und Wähler mit türkischem Pass in Deutschland und anderen Ländern können ihre Stimme bereits zwischen dem 20. und 24. Mai abgeben. In Deutschland sind etwa 1,5 Millionen Deutsch-Türken wahlberechtigt. Etwa ein Drittel davon lebt in Nordrhein-Westfalen.
Erdoğan lag auch bei der Präsidentschaftswahl 2018 bei den Deutsch-Türken weit vorne: Er kam hierzulande auf 64,8 Prozent - und insgesamt auf 52,6 Prozent. Türken mit Wohnsitz außerhalb der Türkei können seit 2014 auch im Ausland wählen.
Wahlbehörde::Erdoğan und Kılıçdaroğlu gehen in die Stichwahl
Weder der amtierende Präsident noch sein Herausforderer erreichen in der ersten Runde die absolute Mehrheit. Vor der Stichwahl kommt dem ultranationalistischen Drittplatzierten eine wichtige Rolle zu.
Warum Türken in Deutschland häufiger für Erdoğan stimmen als etwa in Großbritannien oder Schweden, erklärte der Integrationsforscher Hacı-Halil Uslucan vor der Wahl im SZ-Interview auch mit der Herkunft der Türken, die vor vielen Jahrzehnten nach Deutschland gekommen sind. "Die Türkeistämmigen in Deutschland [...], die erste Migrationswelle der sogenannten "Gastarbeiter", stammten meist von der Schwarzmeerküste oder aus Anatolien. Diese Bevölkerung war weniger gebildet, kam oft vom Land, war stark konservativ und islamisch geprägt. Diese Menschen halten traditionelle, religiöse Werte hoch - bis heute."
Nach Großbritannien hingegen seien vor allem Studenten und Akademiker gegangen, "eher linke oder liberale Wähler". Schweden habe viele kurdische Geflüchtete aufgenommen, weshalb die kurdische HDP dort unter türkischen Staatsbürgern ungefähr so stark sei wie die AKP.