Türkei:Türkische Staatsanwaltschaft will fünf Jahre Haft für Chef von prokurdischer Partei

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HDP-Chef Demirtaş (Foto: AP)
  • Demirtaş und Vizeparteichef Önder hätten 2013 in Reden die Terrororganisation PKK und deren inhaftierten Chef Öcalan gepriesen, hieß es in der Anklage.
  • Im Mai war auf Betreiben von Präsident Recep Tayyip Erdoğan die parlamentarische Immunität von HDP-Abgeordneten aufgehoben worden.
  • Seit die AKP-Regierung im Juli 2015 den Friedensprozess aufgekündigt hat, bekriegen sich die PKK und türkische Sicherheitskräfte wieder vor allem im Südosten des Landes.

Die türkische Staatsanwaltschaft hat für den Co-Chef der prokurdischen Partei HDP, Selahattin Demirtaş, fünf Jahre Haft wegen Propaganda für eine Terrorgruppe beantragt. Demirtaş und Vizeparteichef Sırrı Süreyya Önder hätten 2013 in Reden die Terrororganisation PKK und deren inhaftierten Chef Abdullah Öcalan gepriesen, hieß es in der Anklage der Nachrichtenagentur Doğan zufolge. Auch für Önder sei eine fünfjährige Haftstrafe gefordert worden.

Der Propaganda-Paragraf des türkischen Anti-Terror-Gesetzes, der "terroristische Propaganda" unter Strafe stellte, wurde vor vielen Jahren eigentlich abgeschafft. Die Bestimmungen zur Beihilfe, die in Artikel 39 des türkischen StGB geregelt sind, können aber als Hintertür für eine Anklage dienen. So geschehen ist das beispielsweise bei den sogenannten "Akademiker-Prozessen". Zahlreiche Akademiker, darunter viele in der Türkei bekannte Professoren und Wissenschaftler, hatten einen Aufruf für den Frieden unterzeichnet, in dem gefordert wird, den Krieg in den kurdischen Gebieten zu beenden.

Viele von ihnen stehen nun wegen Unterstützung der PKK vor Gericht. Um angeklagt zu werden, bedarf es also einer Staatsanwaltschaft, die willens ist, bestimmte Handlungen als Beihilfe zum Terror auszulegen. Und es bedarf im Falle von Abgeordneten der Aufhebung ihrer Immunität durch das Parlament.

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Immunität der HDP-Abgeordneten aufgehoben

Im Mai war auf Betreiben von Präsident Recep Tayyip Erdoğan die parlamentarische Immunität von HDP-Abgeordneten aufgehoben worden. Die HDP ist die zweitgrößte Oppositionspartei im Parlament. Mit den Stimmen von CHP und MHP konnte Erdoğans AKP jedoch eine Mehrheit für die Aufhebung der Immunität erlangen. Der türkische Präsident wirft der HDP vor, der politische Arm der PKK zu sein. Die prokurdische Partei bestreitet direkte Verbindungen zu der Gruppe. Die Türkei, die USA und die EU führen die PKK als Terrororganisation.

Zum Zeitpunkt der in der Anklage angeführten Reden von Demirtaş und Önder bemühten sich die PKK, die HDP und die Regierung noch um eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts. Die Parlamentswahlen im Juni 2015 läuteten jedoch die Wende im Friedensprozess ein. Damals holte die HDP 13 Prozent, die regierende AKP verlor ihre absolute Mehrheit. Während der anschließenden aussichtslosen Koalitionsverhandlungen starben bei einem Attentat in der südostanatolischen Stadt Suruç 34 Menschen in einem kurdischen Kulturzentrum. Die türkische Regierung sieht den IS als Urheber.

Viele Kurden, die HDP, aber auch andere Oppositionspolitiker warfen der Regierung wiederum vor, den IS im Kampf gegen die Kurden im Nachbarland Syrien zu unterstützen. Nach Suruç wurden im Südosten der Türkei mehrere Polizisten ermordet, die Taten gelten als Vergeltungsaktion der PKK. Daraufhin kündigte die Regierung den Friedensprozess mit den Kurden im Juli 2015 auf. Seitdem herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände im Südosten des Landes. Die AKP, an einer Koalitionsregierung ohnehin nicht interessiert, rief Neuwahlen für November 2015 aus - in denen sie wie erwartet die absolute Mehrheit wieder zurück erlangte.

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