Türkei:Wie die Türkei einen Kurdenstaat verhindern will

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SZ-Grafik (Foto: N/A)

Ein zusammenhängendes Gebiet der Kurden an ihren Landesgrenzen will die Türkei unter keinen Umständen akzeptieren - und geht militärisch gegen sie vor.

Von Moritz Baumstieger, München

Das türkische Militär hat in der Nacht zum Dienstag kurdische Stellungen bei der Stadt Manbidsch in Nordsyrien mit Artillerie beschossen. Damit droht nun der lange schwelende Konflikt um einen möglichen Kurdenstaat in Nordsyrien endgültig zu einem offen ausgetragenen Konflikt zu werden. Milizen der Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) hatten Manbidsch vor einer Woche vom sogenannten Islamischen Staat (IS) erobert, was die Türkei argwöhnisch beobachtete. Die YPG gelten als syrischer Teil der in der Türkei als Terrorgruppe verfolgten PKK.

Der türkische Premier Binali Yildirim erklärte Medienberichten zufolge nach einer Sitzung des Ministerrates: "Wir können keinen kurdischen Korridor an unserer Südgrenze zulassen." Wenn die syrischen Kurden dort ein zusammenhängendes Gebiet kontrollieren, könnte das die Unabhängigkeitsbestrebungen der türkischen Kurden befeuern, fürchtet man in Ankara. Die Siedlungsgebiete der Kurden in Nordsyrien konzentrieren sich auf drei Gebiete um die Städte Afrin im Westen, Kobane in der Mitte und Kamischli im Osten.

Die kurdischen Kämpfer träumen von einem Staat namens "Rojava"

Diese Kantone will YPG verbinden und zu einem Staatsgebilde mit dem Namen "Rojava" vereinen. Deshalb versucht die Miliz, die arabisch besiedelten Orte dazwischen zu erobern und zu halten. Immer wieder gibt es Berichte über Vertreibungen, in Manbidsch etwa sollen geflohene Araber an der Rückkehr gehindert worden sein.

Um dem entgegenzuwirken, hat die Türkei nach Angaben syrischer Rebellen nun etwa 1500 Kämpfer der Freien Syrischen Armee ins Land gelassen. Diese sollen von türkischem Boden aus das bisher vom IS gehaltene Dscharablus angreifen, am Dienstag beschoss die Türkei bereits Stellungen der Dschihadisten. Auch YPG hat angekündigt, die Stadt erobern zu wollen. Die Kurden folgen einer scheinbar widersprüchlichen Bündnispolitik, die dem Ziel einer teilweisen oder totalen Unabhängigkeit dient: Weil ihre Milizen sich als die stärkste Waffe gegen den IS erwiesen, sind sie dominierende Kraft in den vom Westen unterstützten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF). Gleichzeitig konnte YPG im Februar ein botschaftsähnliches Büro in Moskau eröffnen. Russland unterstützte YPG, weil sie sich etwa in Aleppo mit Präsident Baschar al-Assad verbündeten.

Doch auch diese Koalition war nur lokal und zeitlich begrenzt: In den vergangenen sechs Tagen lieferte sich YPG Gefechte mit Assad-Truppen in Hasaka. Am Dienstag wurde ein Waffenstillstand erreicht, Berichten zufolge durch die Vermittlung von Stammesfürsten und "einigen Ländern". Als die syrische Luftwaffe die YPG in Hasaka angriff, brachte das nicht nur Russland in Zugzwang, das sowohl mit den Kurden als auch mit Assad verbündet ist: Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums gab an, dass sich bei Hasaka auch "Personal der Koalition" befinde - wohl westliche Militärberater.

© SZ vom 24.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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