Gezi-Proteste:Diplomatische Verstimmungen nach Urteil gegen Kavala

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Der türkische Kulturmäzen Osman Kavala befindet sich bereits seit 2017 in Haft. (Foto: ANADOLU KULTUR/REUTERS)

Erst bestellt Deutschland den türkischen Botschafter ein, dann die Türkei den deutschen: Die Bundesregierung fordert die Freilassung des wegen der Gezi-Proteste verurteilten Kulturmäzens, Ankara wiederum verbittet sich die Einmischung.

Das türkische Außenministerium hat den deutschen Botschafter einbestellt. Zuvor hatte das Auswärtige Amt in Berlin am Freitag den türkischen Botschafter wegen des international kritisierten Urteils gegen den prominenten Kulturförderer Osman Kavala einbestellt. Kavala und sieben weitere Angeklagte waren am vergangenen Montag in Istanbul im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 verurteilt worden.

Bei dem Gespräch mit dem türkischen Botschafter am Freitag sei die Haltung der Bundesregierung "sehr deutlich gemacht" worden, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Zudem habe die Bundesregierung die anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union aufgerufen, ähnlich vorzugehen.

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"Nichts für ungut, in diesem Land existieren Recht und Gesetz": Der türkische Präsident verteidigt die Entscheidung des Istanbuler Gerichts, das den Kulturmäzen zu lebenslanger Haft verurteilt hatte.

Der Sprecher des deutschen Außenministeriums bekräftigte, das Urteil gegen Kavala stehe in krassem Widerspruch zur türkischen Mitgliedschaft im Europarat. Die Bundesregierung fordere die unverzügliche Freilassung Kavalas. Der Menschenrechtler sein ein Brückenbauer, der sich um den Austausch zwischen der Türkei und der Europäischen Union verdient gemacht habe.

In türkischen Diplomatenkreisen hieß es wiederum, dem deutschen Botschafter sei darauf hin klar gemacht worden, dass die türkische Regierung alle Versuche der Einmischung in ihre Justiz oder Politik zurückweise. Ihm sei erklärt worden, dass das Urteil nicht in Frage gestellt werden könne. Der türkische Justizminister Bekir Bozdag warf Deutschland in einem Tweet vor, in der Vergangenheit die Gerechtigkeit oft mit Füßen getreten zu haben. Deutschland solle im Einklang mit internationalem Recht handeln.

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Der 64-Jährige Kavala war der Finanzierung landesweiter Demonstrationen, mit denen die Regierung angeblich gestürzt werden sollte, für schuldig befunden worden. Der Kulturmäzen weist die Vorwürfe zurück. Kritiker und Oppositionsparteien werfen der Justiz vor, sich nach Präsident Recep Tayyip Erdogan zu richten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bereits über frühere Verfahren gegen Kavala geurteilt, diese seien politisch motiviert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das Urteil gegen Kavala über einen Sprecher scharf als "ein verheerendes Signal für die türkische Zivilgesellschaft insgesamt und die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei" verurteilt

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