Gezi-Prozess in der Türkei:Osman Kavala zu lebenslanger Haft verurteilt

Gezi-Prozess in der Türkei: Osman Kavala bei einer Veranstaltung in Istanbul (Archivbild).

Osman Kavala bei einer Veranstaltung in Istanbul (Archivbild).

(Foto: HANDOUT/AFP)

Der Kulturförderer und Menschenrechtsaktivist sitzt seit etwa viereinhalb Jahren in Untersuchungshaft. Der Türkei droht deshalb der Ausschluss aus dem Europarat.

Der Kulturförderer und Menschenrechtsaktivist Osman Kavala ist im sogenannten Gezi-Prozess in Istanbul zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der heute 64-Jährige wurde wegen der Finanzierung landesweiter Demonstrationen im Jahr 2013 des Putschversuchs für schuldig befunden, wie das zuständige Gericht mitteilte. Ein Verfahren wegen Spionageverdachts gegen Kavala sei aus Mangel an Beweisen eingestellt worden, heißt es vom Gericht außerdem.

Kavala sitzt bereits seit etwa viereinhalb Jahren in Untersuchungshaft. In der ursprünglichen Anklageschrift zum Prozess wurde Kavala vorgeworfen, die sogenannten Gezi-Proteste 2013 finanziert zu haben. Diese galten anfangs der Rettung eines kleinen Istanbuler Parks, entwickelten sich aber zu den größten Protesten gegen die Regierung Erdoğan, die es je gab. Später wurde Kavala außerdem zur Last gelegt, "politische und militärische Spionage" im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 betrieben zu haben.

Viele westliche Staaten betrachten den Prozess gegen Kavala als politisch motiviert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte 2019 die Freilassung des Mäzens angeordnet. Als im Oktober vergangenen Jahres die Botschafter mehrerer Länder, darunter auch Deutschlands, die Umsetzung dieser Anordnung forderten, löste dies diplomatische Verwerfungen aus. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kündigte die Ausweisung der Diplomaten an, nahm dies aber zurück, nachdem die Botschaften erklärt hatten, sich an diplomatische Konventionen zu halten und sich nicht in innere Angelegenheiten eines Gastlandes einzumischen. Wegen der Inhaftierung des Menschenrechtsaktivisten hat der Europarat außerdem ein Ausschlussverfahren gegen die Türkei eingeleitet.

Erdoğan hat Kavala einst - dies sollte abschätzig klingen - den "Soros der Türkei" genannt, weil er ähnlich wie der US-Milliardär Bürgerrechtsorganisationen unterstützt. Seine Stiftung, 2002 gegründet, fördert Kunstprojekte für Kurden und Flüchtlingskinder aus Syrien, ein armenisch-türkisches Jugendorchester sowie Ausstellungen zur Vertreibung der Griechen. Kavalas Vater wurde im Tabakhandel reich. Nach dessen Tod 1982 übernahm der Sohn die Geschäfte, darunter auch Bergwerke und Immobilien. Aus dem aktiven Geschäft zog er sich später zurück und wurde hauptberuflich Philanthrop.

Mitangeklagt in dem Prozess - aber nicht in Untersuchungshaft - waren mehrere Akademiker, Architekten, Schauspieler, die mit Kavala verbunden sind. Einige von ihnen wurden am Montag ebenfalls verurteilt, zu jeweils 18 Jahren Haft. Ihnen wird Beihilfe zum Putschversuch vorgeworfen.

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