Türkei: Bischof ermordet:"Vielleicht war ich zu leichtsinnig"

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Luigi Padovese stand schon seit Jahren unter Personenschutz. Jetzt ist der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz tot, erstochen von seinem Chauffeur.

Kai Strittmatter

Anatolien war für ihn nicht die Fremde. Luigi Padovese war Theologe und Historiker an der päpstlichen Hochschule Gregoriana in Rom, als er erfuhr, dass er Bischof von Anatolien werden sollte. Er habe sich nur eines gedacht, erzählte er damals: "Ich komme zurück nach Hause." Zurück ins Land der Apostel, wo die Evangelien niedergeschrieben wurden. Das Land der Kirchenväter, der Konzile. "Ich war sehr zufrieden", sagte der Bischof, und fügte dann hinzu: "Aber vielleicht etwas leichtsinnig". Als er sein Amt antrat, 2004, da war noch alles ruhig in der Türkei, zwei Jahre später aber waren die schweren Türen seiner Residenz schon verriegelt, und ein türkischer Polizeibeamter in Zivil wich ihm nicht von der Seite.

Luigi Padovese wurde an seiner Haustür niedergestochen - vermutlich von seinem Chauffeur. (Foto: dpa)

Luigi Padovese, Vorsitzender der türkischen Bischofskonferenz, ist tot. Erstochen am Donnerstag von seinem eigenen Chauffeur. Dessen Motive sind unklar. Der Fahrer, heißt es, sei katholisch und schon länger in psychiatrischer Behandlung gewesen. Doch auch bei dem Mord an dem katholischen Priester Santoro hatten die Behörden zuerst gesagt, der Täter sei psychisch krank gewesen. Später deutete sich doch ein politischer Hintergrund an.

Ein freundlicher, zugänglicher Mann war Padovese, ein Gelehrter mit einer weichen Stimme, der seit seinem Studium in Würzburg fließend Deutsch sprach, und dem man nur selten die Frustration anmerkte ob der vielen Wände, gegen die er anlief. 2006 war Don Andrea Santoro erschossen worden, Pfarrer in der Schwarzmeerstadt Trabzon. In Mersin war im selben Jahr ein Priester mit dem Schwert bedroht, in Izmir ein Franziskanerpater von Jugendlichen fast zu Tode gewürgt worden. Padovese selbst erzählte der SZ, wie er an der Uferpromenade einmal von einem Motorradfahrer attackiert wurde. Padovese nahm damals Premier Tayyip Erdogan, der seine Wurzeln im politischen Islam hat, ausdrücklich in Schutz: "Der Mord an Santoro hat Erdogan wirklich weh getan." Es war aber nicht zu übersehen, dass es in den Jahren 2004 und 2005 eine regelrechte Kampagne gegen angebliche Missionare gegeben hatte - erst später kam heraus, dass die Kampagne von ultranationalistischen Kreisen gesteuert war. Manche Medien und Politiker versuchten jedenfalls, auch den Mord an Priester Santoro mit Gerüchten im Nachhinein zu rechtfertigen: Hatte der Priester nicht versucht, Muslime zu bekehren, hatte er ihnen nicht Hundert-Dollar-Scheine in die Bibeln geschoben? Empört ging Bischof Padovese daraufhin selbst an die Öffentlichkeit. Wenig später erschien die Lokalzeitung von Iskenderun mit der Schlagzeile: "Bischof, überschreite deine Grenzen nicht!"

Dem Mord an Santoro folgte im Januar 2007 der gewaltsame Tod des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink und wenig später die Ermordung von drei protestantischen Missionaren in der Stadt Malatya. Alle Täter wurden festgenommen. Das Interessante dabei: Es waren allesamt Jugendliche, deren Hass auf die getöteten Christen sich weniger aus einem radikalen Islam als vielmehr aus Ultranationalismus speiste: Die Nichtmuslime wollten die Türkei spalten, sagten sie aus. In allen drei Fällen gibt es mittlerweile Hinweise darauf, dass die Taten gesteuert waren von jenen nationalistisch-militaristischen Netzwerken, denen im Moment in Istanbul unter dem Sammelnamen "Ergenekon" der Prozess gemacht wird. Sie sollen mehrfach geplant haben, die AKP-Regierung zu stürzen.

Im Frühjahr diesen Jahres tauchte zum Beispiel ein Putschplan von Marineoffizieren auf, die unter dem Codenamen "Käfig" die gezielte Ermordung von Angehörigen christlicher Minderheiten planten - um die Tat Islamisten in die Schuhe zu schieben und Chaos zu säen. "Die Morde an Santoro, Dink und den Missionaren von Malatya tauchen darin als 'Operationen' auf", schreibt Orhan Kemal Cengiz, ein bekannter Menschenrechtler und zudem Anwalt der Familien der Ermordeten von Malatya. Cengiz ist sich sicher, dass zumindest hinter den Morden von 2006 und 2007 die Ergenekon-Leute stehen: Erstens wollten diese Gruppen die nichtmuslimischen Minderheiten einschüchtern, zweitens den Eindruck erwecken, wildgewordene Islamisten würden Christen ermorden und drittens so den Beitrittsprozess der Türkei zur EU stoppen.

© SZ vom 04.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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