Trump-Impeachment:Zerreißprobe für die US-Demokratie

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Winkt der Präsident hier schon zum Abschied? Wohl kaum. Der US-Politik steht ein heißer Herbst bevor, wenn die Demokraten jetzt versuchen, Trump des Amtes zu entheben. (Foto: AP)

Drei Jahre nach der Wahl Donald Trumps mündet diese Präsidentschaft in ihr logisches Finale. Es geht nicht nur um ein Telefonat. Es geht um die Frage, wie viel die Demokratie an Verbiegung erträgt, ehe sie bricht.

Kommentar von Stefan Kornelius

In den USA hat der politische Herbst begonnen, jene Jahreszeit, die üblicherweise in die Wahl des nächsten Präsidenten mündet und die vor inszenierter Kulisse aus Strohballen und Coffee Diners abgehalten wird. Das aber ändert sich nun, plötzlich wird der Anhörungssaal zum zentralen Ort, die zum Schwur gehobene Hand wird das meist fotografierte Bild im Wahlkampf abgeben. Viele Hände werden da in die Höhe gereckt werden, denn was sich nach nur wenigen Tagen des jüngsten Trump-Dramas abzeichnet, lässt einen Skandal massiven Ausmaßes erwarten.

Dabei ist es nicht nur der Sachverhalt selbst - der Präsident fordert einen ausländischen Präsidenten auf, belastendes Material über den politischen Gegner zu liefern -, sondern vielmehr das System, das sich offenbart. Trumps selbstinkriminierende Worte aus einem möglicherweise auch noch geschönten Telefonprotokoll geben ja nur einen Ausschnitt dieser Episode aus dem Leben des unmöglichsten Präsidenten wieder. Erst unter der Wasseroberfläche zeigt der Eisberg seine gewaltigen Dimensionen.

Ein Netz von Büchsenspannern und politischen Mobstern hat systematisch die neue ukrainische Führung bearbeitet, Hilfsgelder wurden offenbar als Druckmittel zurückgehalten, Staatsanwälte instrumentalisiert. Dutzende Mithörer und Mitwisser beißen sich nun lieber die Zunge ab, statt Alarm zu schlagen. Beweise wurden weggesperrt, Spuren verwischt.

Gründervater Hamilton hätte Trump längst aus dem Amt gejagt

So verfestigt sich das Bild eines Präsidenten, der gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten verstößt und der seine Macht missbraucht. Diesen Albtraum hatten die Verfassungsväter vor Augen, als sie die Amtsenthebungs-Klausel in ihr Werk aufnahmen. Adams, Franklin, Jefferson, Washington: Sie alle wussten, aus welchen drückenden Umständen die amerikanischen Neubürger aus Europa geflohen waren. Sie wollten deswegen sicherstellen, dass in ihrem neuen, freien Land einem Diktator, einem jeder Kontrolle enthobenen Machthaber das Handwerk gelegt werden kann. In seinen berühmten Verfassungskommentaren schrieb Alexander Hamilton, dass ein Impeachment nicht nur die Antwort des Parlaments auf eine Straftat des Präsidenten sei, sondern vor allem den Missbrauch von Macht oder öffentlichem Vertrauen sanktionieren muss. Hamilton würde heute keine Sekunde zögern und Präsident Trump einer Amtsenthebung als würdig befinden.

Die Verfassung der USA wird - sollte es tatsächlich zu einer Impeachment-Anklage kommen - ihrer denkbar größten Belastungsprobe unterzogen. Die drei Gewalten der Demokratie halten übereinander und miteinander Gericht. Das ist kein staatstheoretischer oder strafrechtlicher, sondern selbstverständlich ein politischer Vorgang, bei dem alle Akteure und die Öffentlichkeit einem unvorstellbaren Stresstest ausgesetzt sind.

Das Clinton-Impeachment hat die USA ein Jahr lang aus der Weltpolitik genommen und die politische Belegschaft Washingtons in einen Topf mit siedendem Öl getaucht. Hundertschaften von Anwälten werden aufmarschieren, und anders als bei Clinton wird diesmal die digitale Kommunikationswelt die Bedingungen diktieren, unter denen die Öffentlichkeit sich ihr Urteil bildet. Nicht nur in den USA werden Moral und Wahrheit inzwischen in unterschiedlichen Währungen berechnet. Am Ende werden die republikanischen Senatoren das Urteil über den Charakter ihres Staates und die Ansprüche an die Demokratie fällen - und nebenbei über ihre eigene Zukunft entscheiden.

Drei Jahre nach der Wahl Donald Trumps mündet diese Präsidentschaft in ihr logisches Finale. Die Summe von Missbrauch und Illegalität, der Mangel an charakterlicher Eignung, die Fülle von politischem Chaos und ideologischem Extremismus fließen nun ein in ein Verfahren, bei dem es vermeintlich nur um ein Telefonat geht. Aber das ist nicht korrekt. Tatsächlich geht es um die Frage, wie viel die amerikanische Demokratie an Verbiegung erträgt, ehe sie bricht. Auch wenn die Attacke tagespolitisch riskant und wahltaktisch sogar schädlich sein kann, hat die Sprecherin der Demokraten die richtige Entscheidung getroffen.

Wichtig ist nun, dass sich die Gegner dieses Präsidenten nicht von dessen Zorn anstecken lassen, sondern kühl die Fakten sprechen lassen. Es wird hinreichend Belege dafür geben, dass Donald Trump ungeeignet ist für das höchste Staatsamt. Selbst wenn sich die Mehrheit dafür jetzt nicht findet - die Ansprüche der Verfassung und die Verantwortung vor der Geschichte gebieten jetzt das Amtsenthebungsverfahren.

© SZ vom 28.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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