Torge Schmidt im Interview:"Wir Piraten wollen Verantwortung übernehmen"

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Schleswig-Holstein, ahoi! Die Piraten können bei der Wahl am Sonntag in den Landtag einziehen. Umfragen sagen ihnen acht Prozent voraus. Spitzenkandidat Torge Schmidt erklärt im Gespräch mit der SZ, wie die Transparenz-Fans an einer Regierungsbildung teilnehmen könnten und warum Landwirtschaft ein piratiges Thema ist.

Hannah Beitzer

Torge Schmidt ist mit 23 Jahren der bislang jüngste Spitzenkandidat einer Landtagswahl in Schleswig Holstein. Aufgewachsen ist der Großhandelskaufmann in Elmshorn. Für den Wahlkampf hat er sich drei Monate Urlaub genommen. Die Partei ist bei Schmidt eine Art Familienunternehmen: Sein Stiefvater ist Landesvorsitzender und steht auch auf der Landesliste. Und auch Schmidts Mutter könnte bald mit ihm im Landtag sitzen.

SZ: Herr Schmidt, Sie haben in Ihrem Wahlprogramm einen Schwerpunkt auf Landwirtschaft gesetzt - das hat man ja bisher mit den Piraten nicht in Verbindung gebracht ...

Torge Schmidt: Das Bekenntnis zur klassischen Landwirtschaft und zum gentechnikfreien Anbau sind auf den ersten Blick schon stockkonservative Themen. Aber es passt trotzdem zu uns, denn im Prinzip steht dahinter auch ein Freiheitsgedanke: Zum Beispiel dass es keine Patente auf Leben geben soll.

SZ: Und wie hat das Thema den Weg in ihr Wahlprogramm gefunden?

Schmidt: Meine Mutter zum Beispiel beschäftigt sich viel damit. Das Thema ist sehr wichtig für Schleswig-Holstein und so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal für uns. Es gibt hier einfach eine große Wechselstimmung. Wir haben viele Landwirte, die sich von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten fühlen und nach Alternativen suchen. Ein weiteres Thema, bei dem es genauso ist, ist die Bildung. Wir hatten in Schleswig-Holstein eine Schulreform nach der anderen, da muss man mal ein bisschen Ruhe reinbringen.

SZ: Welche Schulform würde den Vorstellungen der Piraten entsprechen?

Schmidt: Ideologische Grabenkämpfe bringen einen hier nicht weiter. Die Entscheidung über die richtige Schulform kann unserer Meinung nach nicht nur von Politikern getroffen werden, man muss auch die Eltern und vor allem die Schüler fragen. Vor allem aber darf sich nicht alle naselang etwas ändern.

SZ: Und konkret? Wie soll die Schule aussehen?

Schmidt: In der idealen Schule sollte man aufs Leben vorbereitet werden. Demokratie ist dabei ein wichtiger Punkt - sie funktioniert nur mit Bildung. Nur ein Volk, das gebildet ist, kann daran teilhaben. Deswegen setzen wir uns unter anderem für freie Lizenzen ein, weil man nur so vollkommene Lehrmittelfreiheit erreicht.

SZ: Wegen welcher Themen sind Sie denn zu den Piraten gekommen?

Torge Schmidt, Spitzenkandidat der Piratenpartei für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein. (Foto: dapd)

Schmidt: Ganz klassisch, 2009 wegen der Vorratsdatenspeicherung. Wir sind im Landesverband Schleswig-Holstein auch sehr stark in den typischen Piratenthemen. Wir haben zum Beispiel den Datenschützer Patrick Breyer auf Platz vier der Liste, der die Sammelklage gegen die Vorratsdatenspeicherung vorbereitet hat. Aber das ist inzwischen nicht mehr unbedingt die Regel. Unsere Mitglieder sind sehr divers geworden, es geht nicht mehr nur um Netzpolitik. Das sieht man an der Vielzahl der Anträge.

SZ: Letzte Umfragen sehen Ihre Partei in Schleswig-Holstein bei acht Prozent, Sie werden wohl wie ihre Kollegen in Berlin und im Saarland in den Landtag einziehen. Können Sie sich eine Regierungsbeteiligung vorstellen?

Schmidt: Im Moment stellen wir uns eher auf Opposition ein, wir müssen natürlich auch noch viel Erfahrung sammeln. Aber letztlich machen wir ja auch Politik, weil wir Verantwortung übernehmen wollen. Und wir würden auch jetzt schon Vorhaben unterstützen, die wir gut finden.

SZ: Die anderen Parteien betrachten Sie im Moment noch misstrauisch - nicht ganz zu Unrecht. Wie würden zum Beispiel Koalitionsgespräche unter der Voraussetzung totaler Transparenz und Basisdemokratie aussehen?

Schmidt: Wir würden die Gespräche natürlich streamen, so dass jeder sie mitverfolgen kann. Transparenz ist einer unserer wichtigsten Grundsätze - das können und wollen wir nicht einfach über Bord werfen, sobald es um die Regierungsbeteiligung geht.

SZ: Aber kann es nicht durchaus Sinn haben, gewisse Absprachen hinter verschlossenen Türen zu führen? Ist es so zum Beispiel nicht leichter, Kompromisse zu machen, die für eine Koalition nötig sind?

S chmidt: Wir haben kein Problem damit, inhaltliche Kompromisse zu machen, wo es nötig und möglich ist - das verstehen auch unsere Mitglieder. Aber wir werden schließlich hauptsächlich gewählt von Leuten, die die Hinterzimmerpolitik nicht mehr wollen. Die können wir auf keinen Fall enttäuschen.

SZ: Transparenz ist ja das eine - Basisdemokratie das andere. Wollen Sie wirklich die Basis über jeden Punkt im Koalitionsvertrag abstimmen lassen?

Schmidt: Über den Koalitionsvertrag selber kann ich mir das durchaus vorstellen. Aber es wird nicht jeden Tag eine Abstimmung nötig sein. Wir haben ja zum Beispiel das Wahlprogramm als Grundlage. Außerdem hilft auch wieder die Transparenz: Unsere Mitglieder sehen ja nicht nur im Stream, was wir besprechen, sie haben auch die Möglichkeit, uns anzuschreiben - über Twitter, über unsere parteiinternen Tools. Das alles wird sehr intensiv genutzt. So würden wir auf jeden Fall mitkriegen, welche Punkte in den Verhandlungen besonders kritisch sind und darüber noch einmal mit der Basis beraten.

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