Tierhaltung:Unsere kleine Hühnerfarm

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Für mehr Bauernhofgefühl: Immer mehr Landwirte vermieten ihre Tiere an Stadtbewohner.

Von Titus Arnu

Als Huhn hat man ja angeblich nicht viel zu tun. Laut den Comedian Harmonists legen die Tiere "täglich nur ein Ei und sonntags auch mal zwei". Das ist stark übertrieben, in Wirklichkeit liefert ein Durchschnittshuhn 24 Eier pro Monat. Turbohühner in Legebatterien schaffen bis zu 300 Eier im Jahr, Biohühner 50 Stück weniger. Und so beschaulich wie im bekannten A-cappella-Song ist das Hühnerleben sowieso nicht mehr.

Hühnereier sind zuletzt stark in Verruf geraten. Berichte über unwürdige Massenhaltung, genverändertes Futter, Einsatz von Antibiotika und Farbstoffen ließen die Nachfrage sinken. Als gesunder Gegentrend formiert sich nun eine Graswurzelbewegung - das gute alte Haushuhn ist wieder gefragt. Eigentlich sind Hühner perfekte Haustiere: Sie sind verschmust, fressen Bioabfälle und brauchen wenig Platz. Ein Hühnerstall passt selbst auf den Balkon, artgerechte Haltung erfordert jedoch einen Auslauf mit Möglichkeit zum Scharren und Picken.

Um das Leben als Stadtfarmer erst einmal auszuprobieren, kann man heute Leihhühner bestellen, zum Beispiel bei Michael Lüft, Betreiber eines großen Hühnerhofs in Seligenstadt bei Frankfurt. Der Service "Rent a Huhn" umfasst einen transportablen Stall, Futter, Futterautomat, Wasserautomat, Streu für das Nest und 25 Meter Zaun, die Preise beginnen bei 66 Euro pro Woche für fünf Hühner. Michael Lüft karrt seine Tiere deutschlandweit ans Ziel, hilft beim Aufbauen und erklärt die Grundzüge der Geflügelhaltung. Zu seinen Kunden gehören neben Familien auch Kindergärten oder Grundschulen, die den Kindern zeigen wollen, wo die Eier herkommen. Auch Altenheime mieten gerne Hühner, gerade für Alzheimer-Patienten könne das eine schöne Erfahrung sein, sagt Lüft. Seine Tiere sind alle handzahm, man kann sie streicheln und auf den Schoß nehmen.

Lüft war ursprünglich Schornsteinfeger und hielt privat fünf Hühner. Auf die Idee mit der Vermietung kam er 2013, als ein Opa mit seinem Enkel bei ihm zu Besuch war. "Viele Kinder haben heutzutage überhaupt keinen Bezug mehr zu Hühnern und Kühen", sagt Lüft. Mehr aus Spaß versprach er damals dem Jungen, ihm einmal Hühner vorbeizubringen, damit er sieht, was für eine Arbeit das ist, "bis hinten so ein kleines Ei rauskommt". Das Experiment kam so gut an, dass nun ein umfangreiches Geschäft daraus geworden ist. Lüft hat 600 Hühner und 55 portable Ställe, 275 Tiere sind permanent unterwegs. Die Nachfrage ist groß, es gibt mittlerweile mehrere Hühnervermieter in Norddeutschland, Baden-Württemberg und Österreich, die ähnlich arbeiten.

Natürlich bekommt Lüft auch Hass-Mails von Tierschützern, in denen er als Hühner-Ausbeuter beschimpft wird. Ist das nicht ein totaler Stress für die Tiere, wochenweise quer durchs Land verschickt zu werden, sich immer an andere Bezugspersonen und Umgebungen gewöhnen zu müssen? Der Geflügelreiseunternehmer betont, dass seine Hühner gesund und glücklich seien. Das ist auch im Interesse der Kunden, wenn der Stress für die Tiere zu groß ist, legen sie keine Eier. "Meine Hühner hüpfen freiwillig in die Transportkiste", versichert Michael Lüft. "Und wenn ein Huhn nicht verreisen will, zwinge ich es nicht."

© SZ vom 07.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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