Thailand:Plötzlich eine stillere Stadt

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In Bangkok ist der Ort, an dem 20 Menschen durch eine Bombe starben, wieder aufgeräumt. Doch Trauer und Unsicherheit sind überall spürbar. Und keiner weiß, wer hinter dem Anschlag steht.

Von Arne Perras, Singapur

Buddhistische Mönche in safranfarbenen Gewändern führen die Betenden an, ein Dutzend ist zum Tatort gekommen, sie falten die Hände vor dem Erawan-Schrein, der seit Mittwochmorgen wieder geöffnet ist.

Den Bombenkrater haben Bauarbeiter 36 Stunden nach dem Anschlag schon wieder zubetoniert. Überall haben sie aufgeräumt, geputzt und gewischt auf diesem Platz in Thailands Hauptstadt Bangkok. Nur der Schmerz der Angehörigen und Freunde, er lässt sich nicht einfach wegwaschen.

Am goldenen Schrein, wo die Besucher ansonsten Glück und Gesundheit, Liebe und Erfolg erbitten, gedenken sie am Mittwoch der Toten von Montagnacht. 22 Menschen starben durch drei Kilogramm TNT, mehr als 120 wurden verletzt, es war der schlimmste Anschlag, den Bangkok je erlebt hat. Die religiöse Stätte ist dem Hindu-Gott Brahma geweiht, aber meistens beten hier Buddhisten. Unweit des immer noch von der Bombe verbogenen Zauns zünden Gläubige an diesem Tag Räucherstäbchen an, manche knien in Trauer nieder. Angehörige der Opfer haben Kleider der Verstorbenen mitgebracht, sauber zusammengelegt, zum Gedenken an diejenigen, die es nicht geschafft haben.

Keiner begreift die monströse Tat: Am Erawan-Schrein in Bangkok beten die Menschen nun für die Toten und erweisen ihnen Respekt. (Foto: Nicolas Axelrod/Getty)

Es sind stille Bilder, die nun aus dem Herzen Bangkoks um die Welt gehen. Sie erzählen von der Trauer nach einer monströsen Tat, die keiner begreift. Das ist auch schwierig, weil entscheidende Erkenntnisse über Täter und deren Motiv weiter fehlen. Die Fahnder konzentrieren sich auf den Unbekannten im gelben T-Shirt, den sie am Dienstag auf Überwachungsvideos entdeckten. Er stellte am frühen Abend einen schwarzen Rucksack bei einer Bank am Schrein ab und verschwand. Bald danach ging die Bombe hoch. Genau dort, wo der verdächtige Rucksack stand, hat die Explosion jenen Krater in den Asphalt gerissen, der nun wieder zubetoniert ist.

Die Bilder vom Rucksack-Mann sind also ein starkes Indiz. Und die Polizei ist überzeugt, den mutmaßlichen Bombenleger entdeckt zu haben. Identifizieren konnte sie ihn bis Mittwochabend nicht. Und die Polizei geht davon aus, dass er nicht alleine gehandelt hat. "Es war ein Netzwerk", sagt Polizeichef Somyot Poompanmoung. Offenbar gibt es Hinweise, dass eine Gruppe den Anschlag vorbereitet und den Tatort ausgesucht hat, darüber aber geben die Sicherheitsbehörden noch wenig Auskunft.

Ein Video, eine Skizze, aber kein Muster, das bekannt wäre

Vom Gesicht des Verdächtigen fertigte die Polizei eine Skizze an und verteilte sie. Sie hat eine Belohnung von einer Million Baht, etwa 25 000 Euro, für Hinweise zur Ergreifung des Mannes ausgesetzt. Sicherheitsexperten tun sich angesichts der dürftigen Ermittlungsergebnisse schwer, die Tat einer militanten Gruppe zuzuordnen. Niemand hat sich zum Anschlag bekannt, weder im In- noch im Ausland. Die Art der Attacke passt in kein Muster, mit dem militante thailändische Gruppen bislang für ihre Ziele kämpften. Das gilt sowohl für radikale Gegner der Militärherrschaft, wie es sie im Umfeld der "Rothemden" gibt, als auch für muslimische Separatisten im Süden Thailands, die ihren Kampf auf die Krisenprovinzen konzentrieren.

Der Druck auf die Militärregierung, bald Ergebnisse vorzulegen, steigt mit jedem Tag. Sie hat sich mit der Begründung an die Macht geputscht, dass nur sie angesichts wachsender politischer Spaltung die nationale Sicherheit garantieren könne. Die aber ist nun brutal attackiert worden - von Kräften, die keiner kennt. Das steigert die Angst und könnte das Vertrauen in die Generäle untergraben.

Bangkok ist seit Montag eine nachdenkliche Stadt geworden. "Viele von uns sind angespannt", erzählt der junge Manager Sasit Suvanadesa. "Aber man spürt auch eine Entschlossenheit, sich nicht von der Angst unterkriegen zu lassen." Es sind deutlich weniger Leute auf Straßen und in den Einkaufszentren unterwegs. In den sozialen Medien - unter #PrayForBangkok und #StrongerTogether - sprechen sie sich gegenseitig Mut zu.

Unter jenen, die den Schrein nun wieder besuchen, erzählen manche, dass sich der Ort doch sehr seltsam anfühle. Einer ist Tommy Goh aus Penang, der einem Reporter der Agentur AFP berichtet, welch unglaubliches Glück er hatte. Jedes Jahr kommt der Mann zu dem Schrein. Aber weil es dieses Mal Probleme mit dem Taxi gab, war er zur Abendzeit nicht am Schrein wie geplant. So ist er der Bombe entgangen. Er kann es selbst kaum fassen.

© SZ vom 20.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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